Deckert-Richter vor den Kadi

■ Der baden-württembergische Landesvorsitzende der SPD, Ulrich Maurer, will Anklage gegen den Mannheimer Richter Orlet erheben

Der Mannheimer Richter Rainer Orlet, der die Begründung des Deckert-Urteils verfaßt hat, soll sich doch noch dafür verantworten. Die SPD will im baden-württembergischen Landtag eine Richteranklage beantragen. Diese Maßnahme ist möglich, wenn ein Richter gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt. Über den Antrag entscheidet das Bundesverfassungsgericht mit einer Zweidrittelmehrheit. Es kann die Versetzung oder Entlassung des Richters beschließen. Sofern dies in den jeweiligen Landesverfassungen vorgesehen ist, entscheidet über einen Antrag gegen einen Richter im Landesdienst das Landesparlament.

taz: Herr Maurer, warum wollen Sie eine Richteranklage gegen Rainer Orlet einleiten?

Ulrich Maurer: Wir haben beantragt, daß das Justizministerium dem Landtag berichten soll, ob die Voraussetzungen einer Richteranklage vorliegen. Dazu hat uns bewogen, daß der Richter Orlet nicht nur diese skandalöse Urteilsbegründung geschrieben hat mit eindeutig antisemitischen Tendenzen und offener Parteinahme für nationaldemokratisches Gedankengut, sondern daß er auch danach keine Änderung seines Verhaltens zeigte, sondern in Interviews erklärt hat, daß er das Urteil erneut so formulieren würde.

Liegt darin bereits ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wie es die Richteranklage erfordert?

Die verfassungsmäßige Ordnung schützt natürlich im Kern die Menschenrechte. Wir wollen von der Regierung geprüft sehen, ob der Richterspruch und das Bestehen auf die dort gemachten Äußerungen eine Gesinnung offenbaren, die diesen Kerngehalt des Grundgesetzes verletzt.

Es wird natürlich ein anderes Verfassungsgut tangiert, der Anspruch eines jeden Bürgers auf seinen gesetzlichen Richter.

Unsere Verfassung sieht gerade bei extremen Fällen das Institut der Richteranklage vor. Es kann nicht sein, daß jemand solch ein Urteil fällt, dann in sein Amt zurückkehrt und erklärt, er würde es jederzeit wieder so machen und wir gehen zur Tagesordnung über.

Der Landtag ist doch frei in seiner Entscheidung und in keinster Weise von der Stellungnahme der Regierung abhängig.

Das ist richtig. Trotzdem ist es sinnvoll, daß die Regierung vorher Stellung nimmt. Es muß ernsthaft geprüft und debattiert werden.

Sehen Sie eine Mehrheit im Landtag für Ihr Anliegen?

Das werden wir erst am Ende sehen. Interview: Dieter Rulff