■ Hessens Geflügelzüchter sehen rot-grün
: Hühner mit Ohrbommeln

Frankfurt/Main (taz) – Das sei eine „Ohrfeige für 35.000 Rassegeflügelzüchter in Hessen“, empörte sich der Fraktionsvorsitzende der CDU im hessischen Landtag, Roland Koch, über einen tierischen „Vorstoß“ (CDU) der rot-grünen Landesregierung.

Ministerpräsident Hans Eichel, so stimmten Koch und der Hühnchenexperte der Union, Werner Breitwieser, überein, müsse umgehend von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und seine Ministerin für Familie, Jugend und Gesundheit (und Tiere), Iris Blaul, stoppen. Denn die bündnisgrüne Ministerin sei dabei, in „herabsetzender Weise“ alle Kleintierzüchter in Hessen zu „beleidigen“.

Was da bei Koch und Co. hochkochte, war echte Empörung. Immerhin wollte die Landesregierung die Rassegeflügelzüchter mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Mark bestrafen, falls sie es wagen sollten, auch nach dem 1. Januar 1995 noch Enten etwa mit Haubenbildung oder Hühner mit Ohrbommeln zu züchten, denn das sind nach Auffassung der Ministerin reine „Qualzuchten“.

Es gibt in der Tat Schöpfungen, die keinen Sinn ergeben: Die bei den experimentierfreudigen Hühnerzüchtern so beliebten Hennen und Hähne mit dem Merkmal „Kurzbeinigkeit durch den Krüper-Faktor“ (Chabos) und Tauben mit dem Merkmal „Wucherungen der Schnabelwarzen“ sollten nach den Vorstellungen von Blaul ebenfalls nicht mehr gezüchtet werden dürfen. Doch beim gezielten Zuchtverbot für die genannten Arten von Federvieh wollte es die Landesregierung nicht belassen. Auch den geschmacklosen „Machern“ von sogenannten Nackthunden und schwanzlosen Katzen sollte es im nächsten Jahr mit einem Erlaß an den Rattenfellkragen gehen. Ach, ihr armen Kreaturen!

Hilfesuchend hatten sich deshalb etwa die Haubenenten-Züchter in der vergangenen Woche an die Union gewandt, denn die angezüchteten Hauben, so die „Fachleute“, würden die Enten nicht im geringsten an einem „artgerechten Leben und einer artgerechten Futteraufnahme“ hindern. Immerhin sei ein Haubenenten-Züchter für seine prächtigen Züchtungen erst kürzlich vom hessischen Landwirtschaftsministerium (Jörg Jordan/ SPD) mit zwei silbernen Preismünzen ausgezeichnet worden. Und die monierten Hühner mit dem Krüper-Faktor, so fand die Union nach tagelanger Recherche heraus, seien in Japan sogar ein „Kulturdenkmal“. Seefahrer hätten diese Rasse 1860 von Japan nach Europa überführt – „und sie fliegen, ernähren und vermehren sich auch ganz ohne menschliche Hilfe“ (CDU).

Unter Berufung auf bekannte Preisrichter und auf die „Spitze der deutschen Rassegeflügelzucht“ kam die Spitze der hessischen Union deshalb zu dem Schluß, daß die Züchter mit dazu beigetragen hätten, die Konstitution, die Gesundheit und die Vitalität der jeweiligen Rassen kontinuierlich zu verbessern: „Weg mit dem überfallartigen, unmotivierten und bundesweit einmaligen Vorstoß der Landesregierung, die alle diese Entwicklungen bewußt ignoriert.“ (Koch)

Vor so viel geballtem Sachverstand – und mit Blick auf die Landtagswahlen im Februar – zog die Landesregierung jetzt den Schwanz ein. Das angestrebte Zuchtverbot für diverse Geflügelrassen werde fallengelassen, sagte eine Sprecherin von Ministerin Iris Blaul am Mittwoch. Und auch der Hamster darf weiter bohnern. Doch bei der Zucht von Hunden ohne Fell und Katzen ohne Schwanz (die hierzulande noch nicht gegessen werden) soll der Erlaß greifen: Geld oder (ein nacktes) Hundeleben. Klaus-Peter Klingelschmitt