Kosyrew bremst die Nato aus

Der russische Außenminister hat überraschende Bedenken gegen die Osterweiterung des Pakts / Er befürchtet eine Abwertung Moskaus durch die „Partnerschaft für den Frieden“  ■ Aus Brüssel Alois Berger

US-Außenminister Warren Christopher hatte sich gerade von den britischen und französischen Nato-Partnern überreden lassen, bei der Vorbereitung der Osterweiterung der Nato einen Gang zurückzuschalten, da trat der russische Außenminister Andrej Kosyrew auf die Bremse. Überraschend wies er am späten Donnerstagabend zwei Dokumente zurück, mit denen die Zusammenarbeit von Nato und Rußland im Detail vereinbart werden sollte. Er wolle damit gegen die Pläne der Nato protestieren, die Ex-Ostblockstaaten rascher aufzunehmen, als bisher angedeutet.

Dabei hatten sich die Nato-Außenminister zuvor lediglich darauf verständigt, bis Juni eine Studie in Auftrag zu geben, mit der die Bedingungen festgelegt werden sollten, die von künftigen Beitrittskandidaten erfüllt werden müssen. Die Studie soll konkrete Kriterien aufstellen, wieweit die Demokratisierung, die Einführung der Marktwirtschaft und der Umbau der Armeen fortgeschritten sein müssen, bevor ein Beitritt in Frage kommt. Das Nato-Kommuniqué, das von den 16 Außenministern am Donnerstag beschlossen und gestern in Brüssel im Nato-Kooperationsrat mit den mittel- und osteuropäischen Regierungen diskutiert wurde, vermeidet peinlichst Daten zu nennen oder ein mögliches Beitrittsland namentlich zu erwähnen.

Für Kosyrew war aber die Ankündigung der Studie bis 1995 bereits zu viel. Dadurch werde das von Land zu Land unterschiedlich ausgestaltete Rahmenprogramm Partnerschaft für den Frieden (PFP) für einige Staaten zur Laderampe in die Nato, wetterte er, während Rußland abgewertet werde.

Im Grunde hat sich an der Choreographie des Eiertanzes der Nato nicht viel geändert. Fünf Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer versucht die Nato, eine neue Sicherheitsstruktur in Europa aufzubauen und sich durch die Heranführung der mittel- und osteuropäischen Staaten an ein neues Nato-Selbstverständnis als Zentrum dieser Sicherheitsstruktur heranzutasten. Gleichzeitig soll aber auch Moskau nicht verprellt werden. Durch die Sonderbehandlung Moskaus soll die russische Regierung beruhigt und zudem in die künftige europäische Sicherheitsstruktur eingebunden werden.

Moskau fordert, daß die neue Sicherheitsstruktur unter dem Dach der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) aufgebaut wird, wo Rußland gleichberechtigter Partner ist, und daß die Nato darin nur eine untergeordnete Rolle spielen soll. Weil sich mit diesem Vorschlag in der westlichen Allianz niemand anfreunden will, ist die russische Regierung bemüht, die bestehenden Differenzen innerhalb der Nato zu nutzen, um die Fahrt in die aus ihrer Sicht falsche Richtung zu drosseln.

Der polnische Außenminister Andrzej Oleschowski wertete unterdessen den russischen Bremsversuch als wenig besorgniserregend. Er äußerte sich zufrieden darüber, daß die Nato jetzt erstmals einen konkreten Schritt für einen Beitritt seines Landes vorbereitet habe. Allerdings weiß auch Oleschowski, daß eine Osterweiterung der Nato ohne die Zustimmung der russischen Regierung nur für den Preis einer abgeschwächten Neuauflage des Kalten Krieges möglich ist.

Die Verantwortlichen in der Nato zeigten sich gestern dennoch zuversichtlich, daß Kosyrew die Vereinbarung auf alle Fälle noch unterschreiben werde. Die russische Regierung habe aktiv an der Ausarbeitung der Dokumente mitgearbeitet. Außerdem, so ein hoher Beamter, wisse die russische Regierung, daß sie die Osterweiterung am meisten beschleunigen werde, wenn sie die Zusammenarbeit verweigere.