Senat ist nicht die DDR

■ Klage einer Lehrerin gegen ihre Kündigung wegen Antrags auf Ausreise als unbegründet abgewiesen / Revision zugelassen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat gestern die Klage einer Ostberliner Lehrerin gegen die Wirksamkeit ihrer Kündigung im Jahre 1981 als unbegründet abgewiesen. Ihre Entlassung zu DDR- Zeiten ist somit formell rechtswirksam gewesen und das Land Berlin nicht zur Nachzahlung ihres damaligen Einkommens verpflichtet. Das Arbeitsgericht hatte im letzten Jahr der Klage in erster Instanz stattgegeben und entschieden, daß die fristlose Kündigung unrechtmäßig war. Dagegen war das Land Berlin in Berufung gegangen.

Die 56jährige Hildegard W. war seit 1963 beim Stadtbezirk Prenzlauer Berg als Mathematiklehrerin beschäftigt gewesen und hatte 1981 einen Ausreiseantrag gestellt. Daraufhin wurde ihr seitens des damaligen Stadtbezirkes fristlos gekündigt. Gegen diese Kündigung hatte Hildegard W. seinerzeit nicht geklagt, da sie dies für aussichtslos gehalten hat. Im März 1984 durfte sie aus der DDR ausreisen. Bereits drei Monate später begann sie als Lehrerin im damaligen West-Berlin zu arbeiten.

Ende 1991 klagte sie dann auf die Feststellung, daß die damalige Kündigung unwirksam war und das Arbeitsverhältnis die drei Jahre zwischen Antragstellung und Ausreise fortbestanden hat. Sie berief sich unter anderem darauf, daß die Kündigung rechtsstaats- und menschenrechtswidrig war.

Der Rechtsanwalt der Lehrerin, Ulrich Stutzki, hatte sich wohl schon auf eine Niederlage eingestellt. Denn der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichtes in Kassel hatte im Sommer dieses Jahres über einen fast identischen Fall verhandelt. Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich: die Kündigung in dem Parallelfall war zwar nicht rechtens gewesen, nach dem Arbeitsgesetzbuch der DDR jedoch formell wirksam. Denn zwei Wochen nach der Kündigung hätte Widerspruch eingelegt werden müssen.

Die erfolgreiche Berufungsverhandlung des Landes Berlin hat für Hildegard W. finanzielle Konsequenzen: ihre 14.000 Mark Verdienstausfall kann sie nicht geltend machen, da durch die Wirksamkeit der Kündigung ihr Arbeitsverhältnis nicht auf das Land Berlin übergegangen ist. Um die drei Jahre, in denen sie unter anderem als Putzfrau gearbeitet hat, auf ihre Pension anzurechnen – was diese um monatlich 150 Mark erhöhen würde –, könnte sie nur versuchen, über das Unrechtsbereinigungsgesetz eine Entschädigung zu erhalten.

Das Landesarbeitsgericht hat Revision gegen das gestrige Urteil zugelassen. Die seit 1988 beamtete Lehrerin kann also das Urteil der Berufungsverhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht anfechten. Barbara Bollwahn