Den Mangel verwalten

■ Die staatlichen Bühnen und Theater können ab Januar flexibler wirtschaften / Doch angeblich fehlt dafür das Geld

Die Freude über die neue Freiheit ist verhalten: Bei der gestrigen Anhörung im Kulturausschuß begrüßten zwar Vertreter der sieben Berliner staatlichen Bühnen und Theater, daß sie ab kommendem Jahr über die Einstellung, Versetzung und Entlassung von Mitarbeitern entscheiden können, ohne dafür die Kulturverwaltung fragen zu müssen. Auch brauchen sie Gewinne nicht mehr an den Finanzsenator abzuführen. Doch nach den Sparbeschlüssen des Hauptausschusses verbreiteten die Deutsche und die Komische Oper sowie die Volksbühne gestern wenig Optimismus über den gewonnenen Spielraum. Es sei nur noch die Verwaltung des Mangels möglich.

Bis 1996 wird der Etat für die sieben Häuser um rund acht Prozent reduziert. 1995 macht das 7,8 Millionen Mark und 1996 26,1 Millionen Mark weniger. Die Deutsche Oper leidet am heftigsten. Ihr Zuschuß sinkt von 89 Millionen auf 85 Millionen im kommenden Jahr und auf 83 Millionen Mark 1996. Das Problem bei Einsparungen: Etwa vier Fünftel aller Ausgaben entfallen auf das Personal. Operndirektor Alard von Rohr bemängelte, daß sich sein Haus Experimenten versagen und nun stärker auf die Zuschauerzahlen schielen müsse. Nach der Volksbühne dachte gestern auch die Komische Oper über „moderate“ Preiserhöhungen nach. Kultursenator Ulrich Roloff-Momin berichtigte Zeitungsmeldungen: Die Kosten, die durch die Angleichung der Gehälter bei den Ostberliner Häusern auf 100 Prozent zum Oktober 1996 entstehen, werden aus dem Landeshaushalt zusätzlich gezahlt.

Daß ausgerechnet die Intendantin des Hebbel-Theaters, Nele Hertling, betonte, daß die „großen Institutionen“ im Ausland mit sehr viel weniger Geld auskämen und die hohen Etats deutscher Theater mit „großer Verwunderung“ zur Kenntnis nähmen, war sicher kein Zufall – das Hebbel-Theater ist eines der zehn privaten Berliner Bühnen. Die Privaten machten in der Vergangenheit, was für die Staatlichen jetzt erst möglich wird: Wirtschaftspläne aufstellen und eigenständig Personalentscheidungen treffen. Die Krise in den Theaterkassen sei vielleicht auch eine inhaltliche, mutmaßte Hertling, denn die „Theater haben noch nicht die überzeugende Form gefunden, wie sie auf die veränderte Welt reagieren sollen“. Auch bei den Privaten regiert der Rotstift, doch ihre Subventionen bleiben von 1995 bis 1999 gleich hoch und sind so wenigstens eine zuverlässige Größe in der Finanzplanung. Aus rechtlichen Gründen können die Zuschüsse an landeseigene Bühnen dagegen nur mit jedem Haushalt festgelegt werden. Einer der Gründe, warum sich gestern auch die Staatlichen für eine weitere Privatisierung aussprachen. Dirk Wildt