Birgit Hogefeld

■ betr.: „Hohes Risiko für die An klage“ von Gerd Rosenkranz, taz vom 15.11.94

„Wenn es die taz nicht gäbe, müßte man sie erfinden“, diese (unerwünschte?) Belobigung durch den einstigen Hamburger Verfassungsschützer Lochte scheint wohl immer noch Maßstab und Orientierung für Gerd Rosenkranz' Artikel zu sein.

Wie sonst ist zu erklären, wenn er aus Anlaß der Prozeßführung gegen Birgit Hogefeld schreibt: „...vor zehn Jahren ...wäre eine mehrfach lebenslängliche Freiheitsstrafe so sicher gewesen wie das Amen in der Kirche“, weil „in RAF-Verfahren... war es den Angeklagten vor den Schranken des Gerichts nicht um ihre Verteidigung zu tun...“ Von der faktischen Ausschaltung der Verteidigung in diesen Staatsschutzverfahren durch Kriminalisierung der RechtsanwältInnen, VerteidigerInnenausschlüsse, Verweigerung von Akteneinsicht, manipulierte Zeugen und Gutachten und der absurden Logik der durchgeführten juristischen „Beweisführung“ hat er wohl noch nie etwas gehört? Nach Rosenkranz' Logik sind also die Gefangenen aus der RAF vielmehr selbst Schuld an ihren Urteilen, weil sie nicht genügend Vertrauen in den „Rechtsstaat“ gehabt haben, oder was?

Und auf welche empirischen Quellen stützt er eigentlich seine durch nichts belegbare Behauptung „Denn so unbezweifelbar es eine solche Absprache (sich bei einer drohenden Festnahme den Fluchtweg freizuschießen) in der Geschichte der RAF gegeben hat...“? Etwa auf die „Festnahme“ von Elisabeth Dyk? Wollte sie sich mit dem Schlüssel in der Hand den Fluchtweg freischießen, als sie beim Betreten ihrer Wohnung von hinten erschossen wurde? Oder auf die „Festnahme“ von Rolf Heissler? Wollte er sich mit der Zeitung in seiner Hand den Fluchtweg freischießen, als ihm ebenfalls beim Betreten seiner Wohnung in den Kopf geschossen wurde? Oder auf die „Festnahme“ von Willy-Peter Stoll? Wollte er sich mit Messer und Gabel den Fluchtweg freischießen, als er beim Essen erschossen wurde? Die meisten der Gefangenen aus der RAF wären heute nicht mehr am Leben, hätten sie auch nur ansatzweise versucht, sich ihrer Festnahme zu entziehen!

Wenn mensch sich dermaßen an der Verbreitung der staatlichen Propaganda beteiligt, dann ist es auch nicht mehr verwunderlich, wenn nicht ausgesprochen wird, was ein Großteil der BRD-Bevölkerung denkt, daß nämlich Wolfgang Grams von der GSG9 ermordet worden ist. Als „ungeklärt“ wird dieser Tod doch nur noch von denjenigen bezeichnet, die staatlicher Verfolgung ausweichen wollen oder aber ein Interesse an der Funktionstüchtigkeit der GSG9 haben.

Bei einer solchen Berichterstattung kann es dann auch schon mal passieren, daß einem das journalistische Handwerkszeug durcheinandergerät und Birgit Hogefeld so ganz nebenbei und „aus Versehen“ noch die Beteiligung am Angriff auf die US-Air-Base in Ramstein (das war knapp daneben gero, nämlich vier Jahre vorher, anno 1981!) untergeschoben wird, für den sie noch nicht einmal von der Bundesanwaltschaft angeklagt wird! Rote Hilfe, OG Kiel