Am Ende eines schweren Tages

■ Angolas Regierungsdelegation zeigt wenig Interesse an schnellem Friedensschluß

Lusaka (taz) – Ein paar halbzahme Impala-Antilopen grasen gleich neben dem Haupteingang zum Mulunguchi-Zentrum in Sambias Hauptstadt Lusaka. Mitglieder von Angolas Regierungsdelegation in modisch bunten Hosenträgern bummeln durch die Vorhalle. Mitarbeiter des UN-Sonderbotschafters Alioune Blondin Beye eilen mit immer neuen Papieren von Büro zu Büro. „Wir sind hier, um eine Kapitulation der Unita-Rebellen zu vermeiden“, beschreibt ein hoher Funktionär der Vereinten Nationen seine Aufgabe, „das ist besser für Angolas Zukunft.“ „Unita hat sich verkalkuliert. Ich habe ihnen schon Anfang des Jahres erklärt, daß die Zeit gegen sie arbeitet.“ Derweil hockt die kleine, vierköpfige Delegation der Unita-Rebellen, mit fünftägiger Verspätung in Lusaka eingetroffen, vor überquellenden Aschenbechern an einem kleinen Tisch in Lusakas Hotel Pamodzi und versucht es mit Bravour. „Wir sind nicht am Ende, die Verteidigung von Städten ist nicht unser Kampf“, sagt Generalsekretär Eugenio Manuvakola Ngolo. Und er deutet die Möglichkeit einer Gegenoffensive der Rebellen an, „wenn wir nichts mehr verteidigen können, sind wir frei, um überall im Land anzugreifen.“

Manuvakola Ngolo wartet wieder einmal auf Instruktionen durch ihren Chef Dr. Jonas Savimbi irgendwo aus dem afrikanischen Busch. Die Gespräche sind wieder einmal ausgesetzt. Angolas Regierung hat wieder einmal mit einer Offensive auf Friedensbemühungen reagiert und am Donnerstagmorgen, elf Stunden nach Beginn einer Feuerpause, angeblich die Stadt Uige eingenommen. Dort sowie in der Stadt Mbanza Congo werde weiter gekämpft, sagt jedenfalls Unita-Generalsekretär Eugenio Manuvakola Ngolo.

Aber UN-Sonderbotschafter Beye hält weiter daran fest, daß der Friedensvertrag, der ursprünglich schon am 15. November unterzeichnet werden sollte, jetzt tatsächlich am 20. November unterschriftsreif ist. „Bei Angolas Krieg weiß man nie“, fügt er immerhin an. 20 Delegationen aus ganz Afrika werden wieder einmal in dem verschlafenen Lusaka erwartet.

Außer den aktuellen militärischen Problemen sind noch andere Fragen zu klären. Angolas Regierung will alle Unita-Kämpfer in einer Armee unter Kontrolle ihrer Streitkräfte bringen – mit 50.000 Unita-Kämpfern würde sie nach Regierungszahlen auf 150.000 anschwellen. Die Regierung will sie nach einem Friedenschluß auch in wenigen großen Lagern zusammenziehen. Unita dagegen besteht darauf, viele kleine Lager für seine Kämpfer einzurichten.

Die Frage der Gefangenen auf beiden Seiten wurde bisher nicht einmal angesprochen. Regierungstruppen sammeln derzeit in der Stadt Huambo die Leichen der Einwohner ein, die vor dem Unita- Abzug in letzter Minute erschossen oder aufgehängt wurden. 50 politische Gefangene sind aus drei Gefängnissen verschwunden, seit die Rebellen abzogen. Verschleppt oder ermordet – niemand weiß es. Rund 400.000 Menschen verstecken sich in den Bergen in der Umgebung von Huambo – aus Furcht vor Rache durch die Regierungstruppen.

Nur Angolas Regierungsdelegierte scheinen sich weder durch die neueste Offensive noch durch Verhandlungsunterbrechungen aus der Ruhe bringen zu lassen. Der blutige und brutale Krieg, der das ganze Land völlig zerstörte und allein in den vergangenen beiden Jahren über 100.000 Menschenleben forderte, scheint vergessen. In Angolas Hauptstadt mögen sich Millionen in Wellblechhütten drängen. Die Vertreter der angolanischen Regierung logieren seit Monaten in 20 Zimmern im noblen Hotel Intercontinental. In Malange, Kuito oder Uige mögen täglich Kinder an den Folgen von Unterernährung sterben, die Mitglieder der Regierungsdelegation drängeln sich immer als erste am Buffet des Hotels.

Aus einem Hotel Lusakas wurde sie im April hinauskomplimentiert. Offizielle Begründung: Renovierungsarbeiten. In Wirklichkeit hatten sie es zu wild mit der Trinkerei und anderen Ausschweifungen getrieben. Ein angolanischer Polizist mag zwei Dollar im Monat mit nach Hause nehmen, an der Hotelkasse in Lusaka stehen die Regierungsdelegierten mit ihren US- Dollar-Travellerschecks, um sich für den Abend mit Bargeld einzudecken.

Denn nach 18 Uhr, wenn das ach so zermürbende Verhandeln vorüber und der Bürgerkrieg wieder einmal nicht beendet ist, bricht in der Luangwa-Bar des Hotels die „Happy-Hour“ an – Alkohol, zum halben Preis ausgeschenkt, sorgt für den feucht-fröhlichen Ausklang eines weiteren Arbeitstags. Delegationsleiter Faustinio Muteca taucht in legerem T-Shirt auf. Seine Mitarbeiter haben ihre teuren Anzüge ebenfalls gegen Freizeitkluft eingetauscht und amüsieren sich bei Whisky und Mengen von Bier mit zahlreichen Damen, die gegen Entgelt Vergnügen bereiten – frei nach dem Motto „Make love not peace“. Willi Germund