Piloten fahren mit dem Bus

Auf der Erde findet bei der Lufthansa eine klammheimliche Verkehrsrevolution statt / Tarifvertrag vereinbart Jobticket für alle Beschäftigten  ■ Von Florian Marten

Hamburg (taz) – Aus dem Cockpit in den Daimler oder BMW: Diese bislang beliebte Vernetzung der Verkehrsmittel Flugzeug und Auto wird demnächst weiter von ihrem nicht nur bei Klimabeobachtern angekratzten Charme verlieren. Zumindest auf dem Boden, so die jetzt getroffene Vereinbarung von ÖTV, Lufthansa und ihren Betriebsräten, soll der Betrieb Vorbild für verantwortungsvolle Mobilität sein.

Zum ersten Mal hat damit in Deutschland ein Großbetrieb für alle Mitarbeiter in den alten Bundesländern einen Zuschuß für ÖPNV-Monatskarten tarifvertraglich akzeptiert. Das erzielte Ergebnis wirkt auf den ersten Blick bescheiden: 20 Mark Zuschuß je Mitarbeiter in der bis September 1995 dauernden Probephase und die konkrete Realisierung erst durch den Abschluß örtlicher Betriebsvereinbarungen.

Dennoch werten Insider den Deal als verkehrs- und tarifpolitischen Durchbruch. „Das setzt Zeichen. Die Arbeitgeber können damit Verkehrspolitik machen“, meint Rolf Fritsch, Chef der Hamburger ÖTV. Und: „Das fordert den öffentlichen Dienst heraus.“ Fritsch setzt sich seit langem für eine Tarifpolitik ein, die ökologischen, sozialen und regionalspezifischen Extras Raum gibt und die Schlacht um die Verteilungsspielräume nicht auf der Ebene der Lohnprozente führt – und verliert.

Obwohl sich Betriebsräte, Lufthansa und ÖTV bereits am 22. Oktober auf ihren neuen Haustarifvertrag einigten, der zusätzlich zum ÖPNV-Ticket eine lineare Lohnerhöhung von 2,5 Prozent bei einem Sockelbetrag von 40 Mark vorsieht, hielten die Beteiligten die gute Nachricht bislang zurück. Zu erbittert waren nämlich die Kämpfe zwischen der Verkehrsökologenfraktion und den Autofans gelaufen. Die Frontlinie lief quer durch die klassischen Lager: Besonders das fliegende Personal der Lufthansa sträubte sich bis zuletzt.

Himmelweiter Unterschied zwischen den Städten

Als jedoch „die Kabine“ auf den Jobticket-Kurs einschwenkte, waren die standhaften Neinsager aus dem „Cockpit“ isoliert. Auch bei der ÖTV und im Lufthansa-Verhandlungsteam gab es bis zuletzt Bedenkenträger, welche sich gegen den Lohnbestandteil „verkehrspolitische Vernunft“ sperrten, so ein Verhandlungsteilnehmer zur taz. In der Praxis wird die Einführung des Jobtickets freilich noch auf ganz massive Probleme stoßen – hauptsächlich deshalb, weil die Ticketangebote der einzelnen Verkehrsverbunde und Städte erheblich differieren. Allein die Preisspanne reicht von null Mark (Frankfurt) bis 151,50 DM (München). Dennoch ist die Fraktion der Verkehrsökologen bei der Lufthansa guten Mutes. Mit Hamburg, Köln und Frankfurt dürften bereits im Frühling drei große Lufthansa-Standorte den ÖPNV- Einstieg wagen.

Verkehrspolitischer Aktionismus hat bei der Lufthansa bereits Tradition: In Hamburg beispielsweise, Sitz der Lufthansawerft mit knapp 6.000 Beschäfigten, haben Fahrräder seit einigen Jahren innerbetrieblich Vorfahrt. In Frankfurt, München und seit 1. November auch in Hamburg betreibt die Lufthansa das weltweit größte Carsharing-Modell mit 650 Fahrzeugen und bislang 12.000 Teilnehmern. Heute teilen sich in Frankfurt und München sieben LufthanseatInnen ein Fahrzeug. Preislich günstiger sogar als die Stattauto- Modelle in Berlin und anderswo macht der „Lufthansa-CarPool“ das eigene Auto vollkommen überflüssig. Maria Leenen, Hamburger Spezialistin für betriebliche Verkehrskonzepte beim Hamburger Consultingbüro „SCI Verkehr“, meint denn auch anerkennend: „Integrierte Verkehrskonzepte auf betrieblicher Ebene, die sich an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientieren, gehören zu dem wirkungsvollsten Instrumentarium auf dem Weg zur ökologisch und sozial verantwortbaren Verkehrsorganisation.“