■ Press-Schlag
: Lukrativer Abschluß des Herbstmärchens

Frankfurt/Main (taz) – Der arme Michael Stich. Da lag er das ganze Jahr über in der Weltrangliste vor dem verhaßten Boris Becker – aber wenn heute bei der ATP- Weltmeisterschaft in der Festhalle in Frankfurt am Main wieder die Rackets geschwungen werden, ist Stich nur als Ersatzmann dabei. Becker hat sich mit einem furiosen Schlußspurt in Stockholm und Paris noch unter die besten acht Tennisspieler der Welt gepunktet. Und daß auch sein „Freund“ (Becker) Andre Agassi in Frankfurt wieder dabei ist, wird den Ex- Freund der Hafenstraße zusätzlich motivieren.

Daß sie „verschieden“ seien von den anderen braven Cracks hatte Becker schon vor zwei Jahren als Kommentar zum Thema Männerfreundschaften auf dem Centre Court verlautbaren lassen. Und weil auch in diesem Tennis-Herbstmärchen die beiden Prinzen nicht gestorben waren, erschienen sie zur obligatorischen Pressekonferenz vor dem Turnier nicht im offiziellen Sparkassenangestellten-Outfit des Weltverbandes. Becker trug einen braun gestreiften Borsalino-Anzug und rauchte eine dicke Zigarre. Und Agassi kam in Jeans und Cowboystiefeln mit einer schwarzen Lederjacke, auf deren Rückenteil das Stars- and-Stripes-Banner prangte. Als sich traditionsbewußte britische Sportjournalisten deshalb echauffierten, ließ Agassi demonstrativ eine Kaugummiblase platzen – und Becker lachte sich schibbelich: „Wir sind halt verschieden...“

So lustig wie 1992, als Becker locker Weltmeister wurde, wird es in diesem Jahr nicht werden. Der exzentrische Monegasse mit dem deutschen Paß hat die schwerste der beiden Vorrundengruppen (weiße Gruppe) erwischt: Auftaktmatch gegen den kroatischen Klopper Goran Ivanisevic, danach gegen „Pistol-Pete“ Sampras – und auch der schwedische Altmeister Stefan Edberg (ATP-Weltmeister 1991) ist nicht zu unterschätzen.

In der roten Gruppe treffen Fischfreund Michael Chang, Andre Agassi und die beiden Spanier Sergi Bruguera und Alberto Berasategui aufeinander.

Auf dem „Green Set Trophy-Belag“ in der Festhalle geht es diesmal um satte drei Millionen US-Dollar Preisgeld – das sind 300.000 Dollar mehr als 1993. Alle Spiele sind bereits ausverkauft. Und weil Tennisspiele insbesondere dann, wenn sich zwei Schläger vom Schlage eines Goran Ivanisevic oder Pete Sampras gegenüberstehen, auch langweilig sein können, hat sich der Tennis-Weltverband etwas einfallen lassen: das ATP-Fanfest in Messehalle 12 mit Live-Musik und Sekt und Selters. Dort sollen die ZuschauerInnen ihre Idole auch „hautnah“ erleben können: Einmal einen Aufschlag von Sampras retournieren... Und dann mit gebrochenem Arm in die Uni-Klinik. Klaus-Peter Klingelschmitt