Ohne Warnung: Oberitalien landunter

■ Regierungshilfe kommt viel zu spät

Rom (taz) – Ombretta Fumagalli Carulli, 50, Staatssekretärin im Amt des Ministerpräsidenten mit Hauptaufgabe Zivilschutz, strahlte markige Entschiedenheit aus: „Wir haben soeben“, tönte sie, „einen Krisenstab eingerichtet, alle notwendigen Mittel werden bereitgestellt, von Helikoptern bis zu Schlauchbooten, das Heer wird eingesetzt, Verbindungen mit allen Provinzpräfekten wurden aufgenommen.“ Eine gut klingende Palette – wäre die forsche Ankündigung nicht erst am Sonntag abend gekommen, mehr als 48 Stunden, nachdem die sintflutartigen Regenfälle in Oberitalien eingesetzt hatten. Mehr als zwei Drittel Piemonts, große Teile des Aostatals und Liguriens und einzelne Provinzen der Lombardei standen längst unter Wasser.

Dabei war es diesmal gar nicht zu Dammbrüchen und Stauseeüberbordungen gekommen: Die 60 Liter Wasser pro Quadratmeter, die bis Sonntag abend gefallen waren, reichten völlig aus, mehrere tausend Autos auf den Straßen einfach fortzureißen, am Hang gebaute Häuser abrutschen und ganze Wohnblocks einstürzen zu lassen. 39 Tote wurden bis zum Montag nachmittag geborgen, mehr als 150 Personen sind noch vermißt, die Schäden werden mit umgerechnet mehr als einer Milliarde Mark angegeben.

Noch machen die Zivilschützer Fumagallis drei Kreuze: „Wenigstens ist diesmal nichts auf mangelnde ökologische Vorsorge zurückzuführen“, freut sich ein Abteilungsleiter. Möglicherweise freut er sich zu früh. Zwar sind bisher keine unmittelbar durch Ferienhäuserbauten, Seilbahnen oder Skitrassen verursachten Katastrophen zu beklagen. Doch was offensichtlich fehlt, sind die von Umweltschützern seit Jahren geforderten Krisenpläne auch für „normale“ Naturkatastrophen: Evakuierungstrassen, Sammelplätze, Sicherheitszonen.

Vor allem aber fehlt es an einem funktionierenden Vorwarnsystem. Der Grund dafür liegt einmal mehr in der Furcht lokaler und regionaler Administratoren und der mit ihnen kungelnden Spekulanten, ihre Gebiete als „gefahrenträchtig“ auszuweisen und damit den Wert von Grundstücken, die Bautätigkeit, den Fremdenverkehr zu mindern. So lösten die Warnungen der Wetterprognostiker von Mitte der vergangenen Woche nicht den notwendigen Voralarm aus, wurden die notwendigen Hilfs- und Rettungsmittel erst bereitgestellt, als bereits Hunderte von Menschen auf Haus- und Autodächern Zuflucht suchten und Jäger auf kleinen Po-Inseln um Hilfe riefen.

Und noch gestern morgen waren die fünf Rettungshubschrauber in Piemont nicht voll einsetzbar – ihnen mangelte es schlichtweg am Treibstoff, den man nicht rechtzeitig an Ausweichpunkten deponiert hatte.

Werner Raith