■ „Offenbarungen“: Englische TV-Serie erhitzt die Gemüter
: Wenn Pfaffen zu sehr lieben

Dublin (taz) – Wer mit einer neuen Seifenoper in Großbritannien landen will, muß sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Die meisten Themen sind von der TV-Serienflut schon abgegrast. Ein naheliegendes Thema wurde dagegen übersehen: Sex und Kirche. Diese Lücke hat der Produzent David Hanson nun geschlossen – seit vergangenem Monat läuft seine 26teilige Serie „Revelations“ im Independent Television (ITV), einem Netzwerk unabhängiger Regionalsender. Allerdings wollen zahlreiche ITV-Zweige von den „Offenbarungen“ nichts hören und senden statt dessen unumstrittenere Programme, zum Beispiel eine „Anleitung zu gutem Sex“ in Wales.

Die Serie spielt im ländlichen England, sie erzählt die Geschichte der Rattigans, einer wohlhabenden und angesehenen Familie: der anglikanische Bischof Edward und seine Frau Jessica, die Töchter Helena und Charlotte sowie Sohn Gabriel. Die harmonische Fassade täuscht natürlich, dahinter toben die Intrigen und der Verfall der Sitten. Helena ist unglücklich verheiratet und haßt ihre Schwester, weil die ihren Mann umgarnt. Charlotte, von Emma Roberts gespielt, ist für das Sex-Element in Wort und Tat zuständig: Mal treibt sie es mit einem Bekannten auf der Motorhaube der bischöflichen Limousine, mal behauptet sie von ihrem Freund, sein Schwanz sei nur mit dem Mikroskop zu lokalisieren. Bruder Gabriel hütet vor seiner Frau Rachel, die er in Folge eins geheiratet hat, ein Geheimnis: Er ist drogenabhängig. Die liebende Mutti hilft und injiziert ihm das Heroin, dann „ist es mehr wie eine ärztliche Behandlung“.

Nur der Bischof macht in den ersten Folgen eine gute Figur: Der Tugendbolzen läuft stets mit erhobenem moralischen Zeigefinger durch das Haus, so daß ihn alle „Heiliger Geist“ rufen. Das Image des Saubermannes soll jedoch im Laufe der Serie flöten gehen, wenn man den Pressemitteilungen glauben kann. So stößt der Würdenträger demnächst wohl seine – bisher noch unbekannte – schwangere Freundin die Treppe hinunter und tötet sie dabei versehentlich.

Kein Wunder, daß zahlreiche Pfarrer dem Kamerateam den Zutritt verwehrten, nachdem sie das Drehbuch gelesen hatten. Der Bischof von Manchester, in dessen Diözese gedreht wird, hat seinem ehebrechenden und tötenden Kollegen und dessen maroder Familie dagegen grünes Licht gegeben. Regisseur Simon Massey meinte, man wolle mit der Serie kein realistisches Sittenbild zeichnen. Produzent Hanson fügte hinzu, die anglikanische Kirche könne sich nicht beleidigt fühlen, da es schließlich nur um Unterhaltung gehe. Und wenigstens bringt Bischof Edward einmal in jeder Folge einen anglikanisch korrekten Toast aus: „Auf die Familie!“ Ralf Sotscheck