Antje hat kein Schwarzes Brett vorm Kopf

■ Gläserne Unis in Holland durch menschliche und elektronische Studienberater

„Ich kann doch nicht jeden Tag die Schwarzen Bretter abklappern!“ Aufgeschnappt in einem Universitätsflur in Hannover. An deutschen Unis herrscht Schwarzes-Brett-Unwesen. Infos kriegt man übers Hörensagen. Studienberatung ist eine Frage des Durchhaltevermögens. Das Chaos hat System. Deutschen Universitäten mangelt es an Transparenz.

Daß es auch anders geht, zeigt ein Blick über die Grenze. Während sich in den abgeschotteten Gebirgstälern der deutschen Universitätslandschaft das lokale Brauchtum in all seiner Undurchsichtigkeit weitgehend erhalten hat, haben StudentInnen in den Niederlanden während ihres Studiums den Durchblick. Wie kommt das?

Die unglückliche deutsche StudentIn muß diverse Schwarze Bretter nach Einschreibeterminen und Kursdaten absuchen. Ihre KollegIn in Amsterdam lehnt sich derweil zu Hause in ihrem Sessel zurück und schlägt ihr Schwarzes Brett auf: die universitätseigene Zeitung. Hier werden Mitteilungen über geänderte Klausurtermine „angeschlagen“. Zur Transparenz tragen die Studienbüros bei, von denen jede Fakultät ein eigenes hat. Statt auf einer obskuren Liste vor dem Zimmer eines Professors, die dieser zu einem willkürlichen Zeitpunkt auszuhängen geruht, tragen sich StudentInnen hier zentral für Kurse ein. Diese Büros verstehen sich als Dienstleistungszentren für StudentInnen. Sie erstellen zusammen mit den DozentInnen die Studienführer. Statt muffiger Sekretärinnen, die den Bittsteller weiterschicken, empfangen kompetente und vor allem hilfsbereite Mitarbeiter den Informationssuchenden. Hier residiert auch der „Studieadviseur“, an den sich StudentInnen bei Problemen wenden können. Mindestens einmal im Jahr schickt der Studienberater jeder StudentIn einen Auszug ihrer derzeitigen Studienergebnisse und eine persönliche Beurteilung.

Punkte richten sich nach absolviertem Lesepensum

Übersichtlichkeit in den Studienverlauf bringt insbesondere das niederländische Punktesystem. StudentIn stellt sich – wie bei einem Steckkasten – aus Modulen ihre je eigene Studienroute zusammen. Mit jedem Modul erwirbt man Studienpunkte. Die Anzahl der Punkte eines Kurses erschließt sich wiederum über eine Kombination aus dem Lesepensum und den besuchten Vorlesungen.

Und auch der nächste Schritt zur gläsernen Universität ist in den reformfreudigen Niederlanden schon in Vorbereitung. Die Unis setzen zunehmend neue Techniken ein, um den StudentInnen den Zugang zu Informationen zu erleichtern. Die Universität Amsterdam zum Beispiel zieht gerade mitten in der Stadt ein Informations- und Servicezentrum hoch. Neben den Studentendekanen werden hier Terminals installiert. Auf ihnen werden elektronische Studienführer angeboten, und automatisierte Studentendekane sollen in Trivialfragen Auskunft geben. Über Internet sind die Studienführer der Universität von Amsterdam bereits heute von heimischen Computern aus abrufbar.

Das Wichtigste aber, was das Studieren in Holland erleichtert: Über alles läßt sich reden. Regeln werden nach ihrem Sinn ausgelegt, nicht nach ihren Buchstaben. Studienbüros könnten deutsche Universitäten heute schon einrichten, und auch ein Modulsystem würde eine tiefgreifende Studienreform bedeuten. Ein lockerer Umgang mit Regeln aber käme einer Revolution gleich. Harald Ronge