Manche Fische riechen besonders gut

Angler mögen keine Fischstäbchen und keine Naturschützer, die Angler nicht mögen / In Kronberg im Taunus proben die wahren Freunde der Fische und Naturfreunde die Verständigung  ■ Vom Seeufer Heide Platen

Die Welt ist voller Mißverständnisse. „Ich wußte nicht“, sagte sie, „daß Fische so gut riechen können.“ „Fische, die riechen“, sagt der versierte Koch ein klein wenig rechthaberisch, „sind nicht mehr gut.“ Nein, sagt sie, Fische riechen!

Und sie riechen gut, Elritzen zum Beispiel 250mal besser als der Mensch, der Aal ebenso gut wie ein Hund. Wen das interessiert?

Angler zum Beispiel, die laut „Handbuch für den Sportfischer“, ihrem Standardwerk, „Nikotinfinger, Schnakenöl, alte Wurmschachteln, die nach ihrem früheren Inhalt duften“, meiden sollen. Denn, eben, Fische riechen gut.

Dort finden sich auch so wunderbare Sätze wie dieser: „Die höchste Zahl von Barteln hat der Schlammpeitzger mit zehn.“ Und, auch das ist aus der unbekannten Wahrnehmungswelt der ältesten Wirbeltiere mit ihren 20.000 Arten zu lernen: Fische haben Geschmack, manche schmecken über den ganzen Körper verteilt. Auch hier sind die Elritzen führend. Und Fische sind, wenn sie nichts zu beißen haben, wahre Hungerkünstler. Ein Aal soll – kein Anglerlatein – vier Jahre lang ohne Futter ausgekommen sein. Sie können außerdem Farben sehen, Töne hören und haben ein Gedächtnis.

Christoph hat auch Geschmack: Er mag keine Fischstäbchen. Christoph ist 17 Jahre alt und angelt sich seine Mahlzeit selber. Er sitzt zum 5. Fischerfest des Angelsportclubs zwischen Bleich- und Schillerweiher im Kronberger Stadtpark im Taunus. Er ist einer der Jugendlichen, die nach einigen Jahren der Nachwuchsflaute Interesse am Angeln haben. Was ihn daran fasziniert? „In der Natur zu sein“, das ist sein „Thrill“.

Er berichtet, sein größter Fang sei ihm in Spanien gelungen. Einen 24 Pfund schweren Wels hat er dort aus dem Ebro gezogen. Nein, der kam nicht in die Pfanne, sondern wurde zur Kontrolle des Fischerbestandes in Spaniens größtem Fluß nach der Markierung wieder ins Wasser geworfen. Das ist deutschen Anglern sonst streng verboten. In anderen Ländern, erbost sich Bruno Haas, ebenfalls Mitglied im Kronberger Angelsportclub, lande ein „übermäßiger“ Fisch nach dem Angelerfolg nicht im Topf, sondern werde wieder ins Wasser geworfen. Wenn der Fisch dann Pech habe – oder, fügen wir als halbgebildete Angellaien hinzu, einfach nur so gut riecht, daß er an dem lockenden Köder nicht vorbeikann –, wenn der Fisch also Pech habe, werde er immer wieder geangelt. Haas: „Das geht nicht. Die Angelei soll Sinn machen.“

Nur die zu kleinen, „untermäßigen“ Fische, deren Gewicht und Länge je nach Art bestimmt wird, dürfen wieder ins Wasser zurück. Überhaupt seien die Bestimmungen nirgendwo so fischfreundlich wie in Deutschland. Der Fisch dürfe nicht nach kanadischer Waldläufermanier schwungvoll mit der Angel an Land gezogen werden. Nein, der Angler muß sich schon die Mühe machen, ihn im Wasser bis in Ufernnähe zu drillen und dann mit einem Kescher aufzuheben. Der Fisch darf nicht am Haken in der Luft hängen, denn das, sagt Bruno Haas, sei wegen des Eigengewichts des Tieres einfach Tierquälerei. Überhaupt kann er sich aufregen. Immer wieder, meint er, würden Angler als Tierquäler und Naturzerstörer diffamiert. Und das völlig zu Unrecht und vor allem von fehlgeleiteten Naturschützern.

Haas findet das sehr ungerecht. Er sei kein Fischmörder, verderbe die natürliche Wasserfauna in den Teichen der Umgebung auch dann nicht, wenn Fischbrut eingesetzt werde und die Teiche alle paar Jahre einmal geleert und abgefischt würden. Das sei im Gegenteil dringend erforderlich, um das Gleichgewicht im Wasser zu wahren, das in keinem stehenden Gewässer mehr natürlich sei. Das habe zur Folge, daß die von wandernden Stockenten eingeflogene Brut der Barsche sich rasant vermehre und alles andere ratzekahl auffresse: „Da kommt kein Frosch mehr hoch.“ Am Ende sind die Barsche dann hungrige Alleinbewohner und mickern kleinwüchsig vor sich hin: „Die heile Welt im Weiher gibt es nicht mehr.“

Diese lästigen Raubfische, weiß ein befreundeter Angler, „schnappen wirklich nach allem“. Das ist für ihn als dem Töten abholden Tierfreund besonders ärgerlich. Die untergewichtigen Fische müssen zurück ins Wasser, und deshalb schneide er dann, „weil die sehr bissig sind“, den Haken ab, statt sie abzuhängen. Dabei kommt er gleich ins Grübeln: „Ob die sich damit aber besonders wohl fühlen?“ Das verurteilt Bruno Haas: „Genau das ist strikt verboten!“ Und es ist ebenso streng untersagt, Fische mit dem „richtigen“ Gewicht aus falsch verstandener Tierliebe ins Wasser zurückzubefördern. Haas: „Das ist nicht der Sinn des Angelns.“ Auch das Töten der Fische unterliegt Regeln. Sie müssen vorher, mit Ausnahme der Aale, mit einem kräftigen Schlag auf den Kopf betäubt werden.

Bruno Haas achtet im Verein auf die Einhaltung der Regeln, die, meint er, nirgends auf der Welt so umwelt- und naturschonend sind wie in der Bundesrepublik. Um so saurer ist er auf die schwarzen Schafe, die ohne Prüfung „wild“ angeln. Das seien, stellte er fest, „vor allem Leute, die noch nie was vom Fischereigesetz gehört haben“. Daß sie bestraft werden können, ist in den unterschiedlichen Landesgesetzen geregelt. In Thüringen wird schwere Fischwilderei, zum Beispiel mit künstlichem Licht, Sprengstoff, Betäubungsmitteln oder Gift, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft. Auch sonst drohen Geldstrafen bis zu 10.000 Mark.

Und außerdem ist Bruno Haas wütend auf „die Omas und die Spaziergänger, die hier aus Frankfurt angereist kommen“. Die füttern nämlich zu ihrem Sonntagsvergnügen die Enten mit Altbackenem und verderben damit die Trinkwasserqualität der Parkteiche. Solche „Tierfreunde“ kann er absolut nicht leiden. Vor allem dann nicht, wenn er am Wasser steht und angelt. Fragen beantwortet er dann schriftlich, abzulesen auf der Rückseite seines Hemdes: „Nein, es ist nicht langweilig.“ Und: „Ja, es gibt Fische hier.“

Dabei könnten auch die Parkteiche dank der Pflege durch den Verein ein Idyll sein. Das alte Waschhaus am Bleichweiher ist als Vereinsheim liebevoll mit Schindeldach renoviert und von Grün umrankt. In den Teichen schwimmen Stichlinge, Elritzen, Moderlieschen „und andere seltene Tiere, die ich nicht verrate, weil die sonst bloß wieder wer rausholt“. Daß aber auch ein Eisvogel sich in solcher Menschennähe angesiedelt hat, ist ihm ein erwähnenswerter Erfolg.

Daß auch Unerwünschtes schwimmt, weiß er zur Genüge. Vor allem Rotwangenschildkröten werden immer wieder ausgesetzt, wenn sie ihren Besitzern zu groß geworden sind. Sie futtern sich auf Kosten der einheimischen Arten durch, kommen unerwartet gut über den Winter und lassen sich nur schwer wieder einfangen.

Haas würde gerne die Bezeichnungen ändern. „Sportfischer“, findet er, das sei irreführend. Angeln sei eigentlich kein richtiger Sport, bei dem es auf Höhe, Weite und sonstige Hochleistung ankomme, sondern eher kontemplativ. „Angelfischer“, das wäre ihm lieber. Das sei auch gleichzeitig ein Wort, das klarmache, daß Angeln die fairste Art des Menschen sei, an tierisches Eiweiß zu kommen. Es brauche Geduld und lasse dem Fisch eine Chance. Die Seefischerei zum Beispiel, „über die regt sich kein Mensch auf. Dabei ist die wirklich tier- und umweltfeindlich.“

Ottmar Sehr ist ebenfalls Angler. Und er ist gleichzeitig im Vorstand des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Kronberg und engagiert sich, zusammen mit Haas, in der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Auch er weiß von der naturwüchsigen Feindschaft zwischen Anglern und Naturschützern und kann sie nicht so einfach erklären. Das liege, meint er, wahrscheinlich „an der Uninformiertheit“. Auch in streng geschützten Gebieten müsse nämlich, ganz genauso wie die Angler das in den von ihnen betreuten Gewässern machen, ab und zu das Wasser abgelassen und der Teich leer gefischt und neu besetzt werden. Er und Haas haben ganz andere gemeinsame Feinde: das Nitrat aus der Landwirtschaft, das die Gewässer überdüngt, Industrieeinleitungen, Abwässer, exzessive Sportler und unachtsame oder gleichgültige Menschen.

Er schimpft nicht nur auf die ausgesetzten Schildkröten, die sich „hier wohl fühlen wie Gott in Frankreich“. Immer wieder finden sich auch die Reptilien, die gerade bei den Terrarienbesitzern in Mode sind. Die Gelbgrüne Zornnatter, die es früher viel im Handel gab, wuchs zu schnell, wurde zu groß für das Wohnzimmer und landete im Teich. Dort kann sie dann auf südfranzösische Marmor- oder spanische Rippenmolche treffen. Die Angler, lobt Sehr, verfälschen die Fauna nicht, sondern mühen sich um die Erhaltung der Arten. Und Bruno Haas beteuert: „Es ist einfach ein Vorurteil, daß wir alles aus dem Wasser holen, was anbeißt.“

Die Prüfungen für Angelfischer sind streng. Christoph mußte in Kronberg dreißig Stunden theoretisch büffeln und etliche praktische Übungen absolvieren. Fischkunde, Wasserpflege, Naturschutz- und Fischereigesetze gehören zum Lehrstoff, ehe es nach zwei Prüfungen den Fischereischein gibt. Dann kann aber niemand gleich an den nächsten Bach ziehen, sondern er muß auch noch einen Erlaubnisschein beantragen und den bei einer regionalen Behörde beglaubigen lassen. Weil die Fischereigesetze Ländersache sind, ist allein über unterschiedliche Schonzeiten und Mindestmaße viel zu lernen.

In den alten Bundesländern galten für Zander vier unterschiedliche Maße. Mindestens 50 Zentimeter lang muß er in Bayern sein, in Bremen dagegen nur 35. Im Bodensee ist wieder alles ganz anders. Das Juristische fand Christoph am schwersten. Und wer weiß auch schon, wem die Fische gehören, die bei Hochwasser an Land zurückbleiben? Und daß die Hamburger größere Störe fangen müssen als andere Meeresanrainer?

Aber das ist ein weiteres Kapitel, denn in den Küstengewässern darf jeder angeln. Haas: „Da passieren die wirklich schlimmen Sachen.“