Die Tricks von Kohl gegen Lubbers

■ Niederländische TV-Sendung spricht von Erpressung

Den Haag (dpa) – Eine Fernsehdokumentation über das gespannte Verhältnis zwischen Bundeskanzler Kohl und dem ehemaligen niederländischen Ministerpräsidenten Lubbers sorgt in den Niederlanden für Aufsehen. Die Zeitung Het Parool berichtete, Lubbers selbst habe die Sendung für so brisant gehalten, daß er ihre zunächst für den 9. Oktober geplante Ausstrahlung verhindert habe, weil dadurch möglicherweise die Bundestagswahl beeinflußt worden wäre.

Die nun am Sonntag abend gesendete Dokumentation des Magazins „Brandpunt“ (Brennpunkt) versuchte zu ergründen, warum Kohl die Kandidatur von Lubbers für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Delors nicht unterstützt hatte. Unter Berufung auf vertrauliche Unterlagen des niederländischen Außenministeriums hieß es, Kohl habe Lubbers im September 1993 erpreßt.

Dem damaligen Staatssekretär für Europafragen, Piet Dankert, sei von Kanzlerberater Joachim Bitterlich gedroht worden, daß Kohl seine Unterstützung für Lubbers' Kandidatur zurückziehen werde, wenn dieser seinen Widerstand gegen Frankfurt als Standort der geplanten europäischen Zentralbank nicht aufgebe. Lubbers soll mit dem Satz reagiert haben: „Für einen Teller Linsensuppe bin ich nicht zu kaufen.“ Noch nach dem Votum der EU-Regierungschefs für Frankfurt habe er die Entscheidung im Beisein von Kohl als falsch bezeichnet. Der Kanzler habe daraufhin den – später am britischen Einspruch gescheiterten – belgischen Premier Jean-Luc Dehaene gefragt, ob er Nachfolger von Delors werden wolle. Als Lubbers im Frühjahr 1994 mit Kohl über dessen Position habe sprechen wollen, habe sich dieser seinem niederländischen Kollegen wochenlang verweigert.