Auch alleine hab' ich Kraft

Die Ausstellung zeigt ein facettenreiches Bild über die Schwierigkeiten, Freuden und Ängste, den Alltag mit Kindern alleinerziehend zu managen  ■ Von Michaela Eck

Sie lacht fröhlich. Man ahnt jedoch, daß es ihr nicht immer so gut ging. Claudia ist 32 Jahre alt, Diplom-Chemikerin und lebt mit ihrer elf Monate alten Tochter Mira alleine. Trotz der Schwangerschaft hatte sie sich von ihrem Partner getrennt. „Meine Familie hat mich vollkommen abgelehnt. Sie sind davon ausgegangen, daß ich es niemals alleine schaffe. Als Mira vier Monate alt war, habe ich wieder angefangen zu arbeiten.“ Sie hatte Glück und fand eine Tagesmutter, mit der beide prima klarkommen.

Martina ist 34 Jahre alt und lebt mit ihrem fünf Monate alten Sohn Niklas alleine. Die Beziehung zu ihrem Freund war kompliziert und anstrengend. Als sie schwanger wurde, konnte sich der Vater des Kindes nicht für sie entscheiden. „Von Anfang an hatte ich das Gefühl, das machst du alleine.“

Auch die 29 Jahre alte Ärztin Daniela und ihr acht Monate alter Sohn Luka leben alleine. „Nach der Trennung von meinem Mann habe ich gemerkt, daß ich auch alleine sehr viel Kraft habe. Eigentlich habe ich meine Kraft überhaupt dann erst gespürt. Vorher wurde sie von der Beziehung abgezogen.“

Noch bis zum 1. November hängen die Porträts von Claudia und Mira, Martina und Niklas, Daniela und Luka im Foyer des Rathauses Wilmersdorf. Mit der Ausstellung „Lebensrealität Alleinerziehender“ will der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) mit Vorurteilen aufräumen und zeigen, daß Einelternfamilien nicht nur arm dran, sondern auch gut drauf sind.

Trotz ihrer großen Zahl (20 Prozent aller Familien in der Bundesrepublik sind Einelternfamilien) würden Alleinerziehende aber immer noch als Randgruppe gesehen, sagte Elisabeth Küppers, eine der Ausstellungsmacherinnen vom VAMV. Alleinerziehen sei nicht zwangsläufig gekoppelt an Problemfamilien, gewalttätige Jugendliche und Armut.

In „Streifzügen“ zeigt die Ausstellung anhand eindrucksvoller Objekte und Fotos die vielfältigen Probleme des Alleinerziehens: den Kontakt zum anderen Elternteil, die persönliche Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der einzelnen Mütter und Väter. Zum Beispiel kann der Besucher einen Griff ins Trennungschaos wagen. In einer Hängematte stapeln sich Holzklötzchen bezeichnet mit den Begriffen Wut, Trauer, Schmerz, Erleichterung, Zukunftsangst. Thematisiert werden auch der soziale Status, die finanzielle Situation, die Chance, unter realistischen Bedingungen der Bürokratie ins Auge zu sehen, Versuche, mit dem Arbeitsmarkt klarzukommen. Arbeitsmarkt, Finanzen, Kinderbetreuung – alles wird zum Hindernislauf.

Neben den anschaulichen Beispielen gibt die Ausstellung auch Tips, wie man im Behördendschungel sein Geld organisiert und wo man Beratungshilfen und „Hilfe zur Selbsthilfe“ bekommt. Die bewußte Entscheidung, das Kind alleine großzuziehen, kennzeichnen alle Frauen, die in der Ausstellung vorgestellt werden. „Ich habe einen guten Job, in dem ich wieder arbeiten will, und bin mit mir selbst auch so einigermaßen im reinen, so daß ich mich schließlich für das Kind entschieden habe“, erzählt die EDV-Fachfrau Martina.

Knapp 120.000 Alleinerziehende gibt es in Berlin. Davon sind mehr als 88 Prozent nach wie vor Frauen. Auf dem Arbeitsmarkt gehen die Chancen für Alleinerziehende gegen Null, obwohl die Frauen in der Regel gut ausgebildet sind. Lebensgroße Pappfiguren veranschaulichen in der Ausstellung dieses Mißverhältnis: Während der Mann das Tor zum Arbeitsmarkt ungehindert passiert, bleibt die Frau mit dem Kind an der Hand am Eingang hängen. Ob Lehrerin, Ärztin oder Krankenschwester – Sozialhilfe ist für die meisten Frauen mit minderjährigen Kindern die einzige Möglichkeit, finanziell zu überleben.

Den Alltag alleine ohne Partner zu managen ist schwer. „Die große Verantwortung ist manchmal erdrückend. Man braucht schon ein dickes Fell“, sagt die 41jährige Ute, die seit 6 Jahren mit ihren drei Kindern alleine lebt. Es sei jedoch immer noch besser, alleine verantwortlich zu sein, als sich permanent mit dem Ex-Partner zu arrangieren. Auch Utes Geschichte wird in der Ausstellung vorgestellt.

Die Ausstellung „Alleinerziehend“ ist bis zum 1. November Montag bis Freitag (8 bis 18 Uhr) im Foyer des Rathauses Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz 4 zu sehen.