Platzt der Doppelmord-Prozeß?

■ Vater der enthaupteten Frau überraschend als Nebenkläger zugelassen / Gutachten spricht von „tragischem“ Fall

Der Doppelmord-Prozeß gegen den 34jährigen Klavierlehrer Bernhard R. droht zu platzen. Die Vorsitzende Richterin der 28. Großen Strafkammer des Landgerichts erhielt gestern, wenige Minuten, bevor die Plädoyers gehalten werden sollten, einen Beschluß des Kammergerichts. Nach diesem Beschluß wird der Vater von Michaela M., dem ersten Opfer des Angeklagten, doch als Nebenkläger zugelassen. Sollte dieser eine Wiederholung der Beweisaufnahme fordern, müßte das Verfahren neu aufgerollt werden.

Das Landgericht hatte die Nebenklage ursprünglich abgelehnt, weil der Prozeß im Sicherungsverfahren mit dem Ziel einer endgültigen Einweisung in die Psychiatrie geführt wird. Anwältin Ulrike Zecher war „völlig geschockt“ über den Beschluß, der entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei. Der Angeklagte, der seit seiner Festnahme zum ersten Mal in einer Klinik medikamentös behandelt wird, könnte schuldunfähig gewesen sein. Als er am 25. Januar seine Schülerin Michaela M. enthauptete und zwei Tage später den Nachbarn Dieter K. tötete, litt er an einer paranoiden Schizophrenie, sagte gestern der Sachverständige Werner Platz in seinem Gutachten.

Bernhard R. hatte nach eigenen Angaben die beiden Opfer im „Auftrag Allahs“ umgebracht. Bereits vor drei Jahren habe er sich eingebildet, Jesus Christus zu sein, sagte er gestern. Bernhard R., der sich auf seiner religiösen Suche sowohl mit der katholischen als auch evangelischen Kirche, den Zeugen Jehovas, Scientology und dem Islam partiell beschäftigt hatte, ohne jedoch die Zusammenhänge zu sehen, ist nach dem Gutachten ein hochintelligenter Mann. Platz bezeichnete den Fall von „gestörter Realitätskontrolle“ und „extremem Symbolismus“ als tragisch.

Verteidigerin Zecher äußerte ihre Fassungslosigkeit darüber, daß Bernhard R. mehrere ärztliche Stellen aufgesucht habe, bevor die beiden Taten passierten. Bereits 1991 war der Angeklagte in einer Nervenklinik untergebracht worden. Nachdem er aus dem Krankenhaus geflohen war und einen Arzt außerhalb der Klinik aufgesucht hatte, war der Unterbringungsbeschluß aufgehoben worden, so der Gutachter. Die Klinikärzte seien davon ausgegangen, daß der behandelnde Arzt sich um den Beschuldigten kümmern werde. Der Prozeß wird am Dienstag fortgesetzt. Barbara Bollwahn