Käfig für leere Stelle

■ Der Wettbewerb für die "Gedenkstätte Berliner Mauer" läßt dem Auslober freie Wahl: Vom Tigerkäfig bis zur Grasnarbe

Welches Erinnerungsbild von der Berliner Mauer einmal bleiben soll, bleibt weiter offen. Bei dem Wettbewerb „Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße“ entschied sich das Preisgericht nicht für einen Entwurf, sondern prämierte drei „unterschiedliche Ansätze“, wie die Juryvorsitzende, Hilde Leon, gestern bei der Vorstellung der Wettbewerbsarbeiten sagte. Mit jeweils einem „zweiten Preis“ wurden die Teams Susanne Winkler/Stefan Thiel (Berlin), das Büro Kohlhoff (Stuttgart) sowie Markus Bühren/Markus Schulz (Allensbach) ausgezeichnet. An dem Wettbewerb für die „Leerstelle“ zwischen den Bezirken Wedding und Mitte hatten sich 259 Künstler und Architekten beteiligt.

Während Winkler/Thiel für den 200 Meter langen erhaltenen Mauerstreifen einen Gitterkäfig vorsehen, geben sich die beiden anderen Entwürfe weniger verkrampft. So grenzt das Team Kohlhoff einen kleinen Abschnitt mit Edelstahlplatten ab, und Bühren/Schulz fragen mit ihrem Vorschlag „Keine Gedenkstätte“ nach dem Sinn eines wie immer gearteten Erinnerungs-Pathos. Sie belassen das Gelände wie es ist.

Das Preisgericht habe sich nicht vor einer Entscheidung gedrückt, sagte das Jurymitglied Christoph Stölzl. Vielmehr bildeten die Ergebnisse „Anhaltspunkte“ für den Auslober, sich über seine Ansprüche an die Gedenkstätte klar zu werden. Der Auslober werde aufgefordert, eine Prioritätenliste aufzustellen. Alle drei Entwürfe sollten darüber hinaus überarbeitet und auf ihre Realisierbarkeit überprüft werden.

Wegen des Mauerabschnitts an der Bernauer Straße lagen sich der Auslober und die angrenzende Sophiengemeinde vier Jahre lang in den Haaren. Die Sophiengemeinde, zu deren Friedhofsgelände der Grenzstreifen gehört, blockierte die Ausschreibung, schien ihr doch eine Gedenkstätte über den zugeschütteten Gräbern ein ebenso willkürlicher Akt wie die Grenzziehung von 1961. In einer „Vereinbarung“ zwischen Senat und Gemeinde wurde schließlich ein Kompromiß zwischen der Kirche und den Denkmalplanern gefunden, der beiden Interessenten Geländeabschnitte zugesteht. Auf welch tönernen Füßen der „Kompromiß“ steht, wurde gestern jedoch deutlich. Ein Großteil der Entwürfe, sagte Pfarrer Johannes Hildebrandt zu den Jounalisten, entspräche nicht den Vereinbarungen über einen „Ort stiller Erinnerung“. Rolf Lautenschläger