Zicken, Tunten und Väter

■ Vom Comic zum Realfilm: „Der bewegte Mann“

Ungeachtet ihrer sexuellen Ausrichtung rissen sich Männer und noch mehr Frauen um Ralf Königs Comic „Der bewegte Mann“ und die darin abgebildeten schwulen Knollnasen. Dieser bewegte Mann heißt Axel Feldheim und ist nicht nur Objekt der Begierde dieser libertinen Knollennasen, sondern auch der (Ex-) Freund der ziemlich hysterischen Doro. Die will von ihrem promiskuitiven Axel – „dumm fickt gut“ – nichts mehr wissen, setzt ihn auf die Straße, und so beginnt Axels Ausflug in den Schwulenalltag. Im Fortsetzungsband „Pretty Baby“ erlebt Axel nach allerlei hinreißenden Katastrophen schließlich sogar Vaterfreuden, die natürlich nicht ganz ungetrübt sind. Ab heute kommt Axel ins Kino: Ohne phallisch-verwuselte Nase, dafür in Gestalt von Til Schweiger, dem neuen Beau im jungen deutschen Filmgeschäft. Regisseur Sönke Wortmann („Kleine Haie“) hatte sich schon vor fünf Jahren die Filmrechte gesichert, fand aber keinen Produzenten. Nun hat sich Wortmann mit Deutschlands Vorzeige-Produzent Bernd „Hollywood“ Eichinger zusammengetan, der sich – was sollte bei einer so beliebten Vorlage schon schief gehen? – alsgleich für diese Literaturverfilmung gewinnen ließ.

Dagegen, daß seine Figuren nun in den Händen von Heteros das Laufen lernten, hat auch Schwul- Comic-Künstler König nichts einzuwenden: „Das ist kein Comic und kein Ralf-König-Film, das ist ein Sönke-Wortmann-Film.“ Und hervorragend besetzt findet er außerdem Axels fürsorglichen Freunde mit Joachim Krl („Wir können auch anders“) als Norbert Brommer und Rufus Beck als Waltraud/Walter, der Axel in einer heterosexuellen Männergruppe aufgabelt, die übrigens auch bei Wortmann eine volle Breitseite Lächerlichkeit abkriegt. Axel, der in Ralf Königs Comic durchaus hin- und hergerissen ist zwischen Norberts Avancen und Doros Begehrlichkeiten, mutierte bei Wortmann zum überzeugten Hetero, „damit der Bruch der Welten besser funktioniert, komischer wird“, begründet der Regisseur die Wandlung. Und nicht mehr ganz so hysterisch ist auch Axels Freundin Doro, gespielt von Katja Riemann („Abgeschminkt“), deren jungem Talent der Spiegel gleich einige Seiten widmete. Daß das Thema Aids nicht mehr vorkommt, verwundert nur ganz wenig. Die einzige diesbezügliche Szene wurde herausgeschnitten, was möglicherweise Peinlichkeiten umschiffte. Die für ein großes Publikum angelegte Komödie um das beliebte alte Thema „Homo verliebt sich in Hetero“ läßt so immerhin nicht den Eindruck Aids = schwul entstehen. Schließlich ist aus dem „Bewegten Mann“ eine nette kleine Komödie von regionalem Witz geworden, wie Eichinger die vier Millionen- Mark-Produktion einschätzt, die glatt wirkt, aber nicht zu glatt, und die immer noch mopsig genug ist, um mal wieder herzlich im Kino zu lachen. Julia Kossmann

Regie: Sönke Wortmann. Mit:Til Schweiger, Joachim Kroll, u.a. Deutschland, 1994