Manchmal kontemplative Spiralen

■ Etwas zu aufwendige Vorsicht auf Blumfelds neuem Album „L'état et moi“ Von Kristof Schreuf

Vor drei Jahren voluminisierte und stach die erste Blumfeld-Single die Gemüter. Nicht wenige stopften den Sänger Jochen Distelmeyer in leicht zitable Schubladen. Die sich dort knäulenden, dichtbeschrifteten Dylan-Unterhemden, tränennassen Morrissey-Socken und feinsinnig bestürzten Hemdkragen von Leonard Cohen sollten als verirrte Mode abgetan werden. Andere reagierten, als hätte Distelmeyer ausschließlich Lieblingsstellungen und die Beschaffenheit von Geschlechtsteilen aufgezählt. Doch nicht nur „Laß' uns nicht über Sex reden“ vom ersten Album Ich-Maschine ließ auf andere Weise an Angelegenheiten des Körpers denken.

Ein paar Verwirrte fragten sich sogar unwirsch, ob es darum gehen könne, mit einem Song zu schlafen. In den Liedern wollte man einen klammen, klebrigen Blum-fake erkennen, dem einfach zu viele auf den Leim stürmen. Seit Erscheinen des zweiten Albums L'état et moi laufen wieder Menschen durch die Straßen, die von der Sicherheit eines festen Standpunktes zu dem Gefühl gelangen, jegliche Meinungsfähigkeit zu verlieren. Es mag Jahrzehnte her sein, daß Buchautoren oder Sänger ausdrückten, was man sich selbst nur zu ahnen traute. Bei Blumfeld drückt sich Sänger und Autor Distelmeyer so aus, daß Teile des Publikums den Eindruck gewinnen, nur durch bloßes Zuhören und ungewollt Selbstdarstellung zu betreiben.

Der Verbundenheit eines freudigen, in Pop-Land gern wie eine Republik ausgerufenen „Super! Du sagst es!“ steht auf L –etat et moi ein klares, nicht nur tragisches „Vergiß die Lieder, die ich spiel / die hatten nie etwas zu tun mit dir / die sind so hohl wie ich und darauf du: Und davon handeln wir“ gegenüber. Das ist nicht das Ende der Notwendigkeit von Introspektion. Und auch nicht unbedingt das Ende der Möglichkeit, Songs so zu hören, als seien sie nur für Auserwählte geschrieben. Als Johnny Rotten sich und andere Punks als „pretty vacant“ bezeichnete, klang das nach einem, der auf eine Art leer ist, die sich nicht mehr füllen läßt. Diese Leere ist bei Distelmeyer heute ein Hohlraum, in dem sich zumindest Mythen abtragen lassen. Auf Ich-Maschine sang er von dem Lied „das dich festhält“. Jetzt ergänzt er sinngemäß, daß man sich auch das Gefühl, gemeinsam festgehalten zu werden, aus dem Kopf schlagen kann, wenn dieser auf melancholisch-magenfreundliches Einvernehmen eingestellt ist. Manchmal verlieren sich die Verse, Zitatsprengsel und Insider-Verweise auf L'état et moi in kontemplativen Spiralen. Sie winden sich mit etwas zu aufwendiger Vorsicht um Sätze wie „Ich war dabei, eine Art von Verschwinden, die den Text bezwingt, zu erfinden.“ Der Blues bei Blumfeld ist die Ausführlichkeit in Distelmeyers Beschreibungen. Es gibt etwas in den getexteten Hautabtragungen, wo man den Eindruck nicht los wird, daß der Sänger vom Punkt weg-, aber auch nicht unbedingt woanders hinkommt. Aber darüber wird „noch viel zu reden sein“, meint der Spex-Chef Christoph Gurk.

„L–état et moi“, Big Cat/WSFA