Menschenrechte – mal wieder unter den Teppich gekehrt

■ Betr.: „Lockrufe aus Asien – Schnarchen aus Europa“, taz vom 24.9. 1994

Zum Verlauf der EU-Asean- Außenministerkonferenz in Karlsruhe und der parallel dazu in Stuttgart abgehaltenen Unternehmenskonferenz mit über 300 Firmen, darunter zirka 60 aus Südostasien stelle ich folgendes fest:

Außenminister Klaus Kinkel hat just in seinem Wahlkreis drei Wochen vor der Bundestagswahl seine EU- und Asean-Kollegen zur routinemäßigen Konferenz eingeladen, um politisch daraus Kapital zu schlagen. Doch der sonst in Sachen Menschenrechte so beredte Außenminister sorgte dafür, daß nach dem aktuellen Protest gegen das in Singapur vollstreckte Todesurteil des niederländischen Bürgers van Damme alle anderen Menschenrechtsfragen in dieser schnell wachsenden Wirtschaftsregion bei diesem Treffen unter den Tisch fielen. Denn die Geschäfte standen voll im Vordergrund. Auch die bundesrepublikanischen Rüstungsexporte in diese Region. Seit Jahren ist diese Region ein Schwerpunktland bundesdeutscher Rüstungs- und Waffengeschäfte. So wurden von 1990 bis 1993 nach dem Außenwirtschaftsgesetz für über 2,25 Mrd. Rüstungsgüter laut Bundestagsdrucksachen an die sechs Asean-Staaten geliefert. Dabei sind die Dual-Use- Güter-Exporte, also Militärfahrzeuge und Hubschrauber und so weiter, nicht enthalten. Und ebenfalls nicht die Lizenzproduktionen von solchen wie der G-3-Gewehre der Firma Heckler und Koch, der Kriegsschiffe der Lürssen-Werft sowie der Dasa-Hubschrauberfabrik. Schwerpunktland dieser Geschäfte mit dem Tod war und ist Indonesien, wo der dienstälteste Militärdiktator der Welt einen repressiven Staat repräsentiert, der in drei Zonen seines Landes – Ost-Timor, Westpapua und in Nordsumatra – von seinen Soldaten Menschenrechtsverletzungen schlimmster Art begehen ließ. Bei ersterer hat er 1975 völkerrechtswidrig das Land annektiert und seitdem dort über 200.000 Menschen töten lassen. Und über den Forschungsreaktor, den er von der Siemens- Tochter KWU mit Genehmigung aus Bonn erhielt, hat er auch die Möglichkeit erhalten, den Griff zur Atombombe eines Tages zu machen.

Im letzten Jahr brachte Helmut Kohl, Vorsitzender des Bundessicherheitsrats, bei seinem Staatsbesuch in Indonesien die Verträge über die 39 NVA-Kriegsschiffe und die 3 neuen HDW-U-Boote nach Djakarta mit, die übrigens mit Hermeskrediten abgesichert sind. Dabei wissen Kohl und Kinkel ganz genau, daß dieser Raum eine Krisenregion par excellence ist: Um die strategischen Spratley- Inseln streiten sich etliche Asean- Staaten, darunter auch Indonesien, mit China und Vietnam, da auch riesige Erdölvorkommen dort vermutet werden.

Als ob in der Vergangenheit nicht schon genug bundesdeutsche Waffen in Kriegs- und Spannungsgebieten Unheil angerichtet hätten, werden nach dem bewährten Prinzip der vitalen Interessen der Bundesrepublik wieder in verantwortungsloser Weise Waffen an einen Diktator wie Suharto geliefert, der bei der Durchsetzung seiner Machtinteressen buchstäblich über Leichen geht und einfach Tageszeitungen, wie zum Beispiel Tempo, schließen läßt, wenn sie wahrheitsgemäß über solche fragwürdigen NVA-Kriegsschiffe- Deals des Forschungsministers Habibie berichten.

So wird die Asean-Wirtschaftsregion immer mehr auch eine Militärregion mit beängstigenden Entwicklungen. Seit 1985 werden sie von seiten der Bundesregierung bei Rüstungsexporten gleichbehandelt wie Nato-Staaten. Doch es handelt sich um ein Pulverfaß. Nicht ohne Grund hat Australien beim letzten Asean-Forum im Juli in Bangkok vergeblich gefordert, diese Region zu einer atomwaffenfreien Zone zu machen.

Statt die Frage der Menschenrechte auf die Tagesordnung zu setzen, wurden sie wieder einmal zugunsten des freien Marktes, bei dem auch etliche baden-württembergische Rüstungsfirmen beteiligt sind, unter den Teppich gekehrt.

Das Rüstungsinformationsbüro fordert:

– Keine Rüstungsexporte in die Asean-Staaten und anderswohin.

– Keine Vergabe von Lizenzproduktionen von Waffen und Rüstungsgütern.

– Keine atomare Zusammenarbeit.

– Keine weitere Militärhilfe.

– Abberufung der Militärattaches und dafür Einsetzung von Menschenrechtsbeauftragten an deutschen Botschaften.

– Bonn soll Druck auf Suharto ausüben, damit Menschenrechtsarbeit zugelassen und der Bann gegen die Zeitungen aufgehoben wird.

– Unterstützung der bundesweiten Kampagne „Jäger 2000 stoppen – Soziale Sicherheit schaffen“. Denn ganz bestimmt würde der Jäger 2000 als Eurofighter in diese Spannungsregion verkauft werden. Walter Schwenninger, RIB-Vorstandsmitglied und bündnisgrüner Bundestagskandidat, Tübingen