Neue linke Heimat

Diverse DKP-Mitglieder kandidieren in Westdeutschland „als Persönlichkeiten“ auf PDS-Listen  ■ Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) – Eine Mehrheit im Parteivorstand der PDS wollte ihn um keinen Preis. Um Heinz Stehr, dem Sprecher der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) einen aussichtsreichen Platz auf einer PDS-Liste zu verwehren, beschloß die Vorstandsmehrheit schon Anfang des Jahres, daß DKP-Sprecher nicht auf den an sich offenen Listen der PDS kandidieren dürften. Eine Listenverbindung mit der DKP hatte zuvor schon der PDS- Parteitag abgelehnt. Nach außen und innen signalisierte der Vorstandsbeschluß eine klare Abgrenzungsbotschaft in Richtung DKP: Mit ihm sollte eine „Listenverbindung durch die Hintertür“, so PDS-Sprecher Hanno Harnisch zur taz, verhindert werden. Tatsächlich öffnete die Parteibasis wenig später trotzdem die „Hintertür“ – allerdings nur einen Spalt breit. Auf dem Wahlparteitag der PDS in Brandenburg wurde Stehr im April zwar gewählt, aber nur auf den aussichtslosen Platz 14 – und den nahm der DKP-Sprecher nicht an.

Die noch gut 6.000 Mitglieder zählende DKP ruft gleichwohl zur Wahl der PDS auf. Stehr sieht darin den Versuch, „alle linken Kräfte gegen rechts zu bündeln“. Insgesamt habe sich das Verhältnis zwischen beiden Parteien trotz der Wahlschlappe in Brandenburg „versachlicht“. Es sei inzwischen „leichter möglich, pragmatisch zusammenzuarbeiten“. Berührungsängste gebe es nicht. Tatsächlich finden sich viele DKP-Mitglieder auf den PDS-Bundestagslisten in den alten Bundesländern. Die Antwort der Bundesregierung auf die parlamentarische Anfrage des CDU-Abgeordneten Jürgen Augustinowitz weist 14 DKP-Mitglieder namentlich als Direkt- oder Listenkandidaten für die PDS auf. Stehr selbst spricht von „mehr als dreißig“ GenossInnen, die – außer in Bremen und Schleswig-Holstein – die PDS-Listen im Westen bevölkern. Von einer Zusammenarbeit zwischen DKP und PDS mag PDS- Sprecher Harnisch nicht reden. Die westdeutschen Kommunisten seien nicht als Parteivertreter, sondern als „Persönlichkeiten“ gewählt worden – zudem allesamt auf „völlig aussichtslosen Plätzen“.

Trotz solcher Abgrenzungsversuche sieht Heinz Stehr guten Mutes in die Zukunft: „In der PDS gibt es sehr viele Kommunisten.“ Die jetzige Parteivorstandsmehrheit setze zwar auf die „reformistische Variante zur Überwindung des Kapitalismus“, aber wer sich in der Partei letztendlich durchsetze, stehe dahin. Stehr wörtlich: „Ein wirkliches Kräftemessen hat es ja noch nicht gegeben.“

Während die DKP weiter eine „authentisch kommunistische Partei“ (Stehr) sein will, suchen Mitglieder des aus dem KBW hervorgegangenen „Bundes Westdeutscher Kommunisten“ (BWK) sehr direkt eine neue Heimat in der PDS. In NRW und Hamburg existieren inzwischen sogenannte „Arbeitsgemeinschaften BWK in der PDS/LL“. Auch Mitglieder des „Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD“ finden sich inzwischen in der PDS.

Daß es „linkssektiererische Tendenzen in den westlichen Landesverbänden“ gibt, räumt PDS- Sprecher Harnisch ein: „Unter dem Dach der PDS kochen Sektierer gerne ihren linken Brei.“ Für die PDS entstehe dadurch „objektiv ein Schaden“. Aber daß Parteichef Lothar Bisky darauf nach der Bundestagswahl mit einer Auflösung von westdeutschen Landesverbänden reagieren wolle, sei „absoluter Quatsch“. Eine entsprechende Meldung im Spiegel, sei ein „Unding“ und beruhe auf „gefälschten Zitaten“.

Das mag so sein, aber daß der ideologische und personelle Klärungsprozeß innerhalb der PDS – beileibe nicht nur im Westen – längst überfällig ist, steht außer Zweifel. Der hessische PDS-Spitzenkandidat, der parteilose Schriftsteller Gerhard Zwerenz, hat am vergangenen Wochenende in Dortmund dazu Klartext geredet. Für Zwerenz ist die „kommunistische Plattform“ der PDS, deren Sprecherin dem Bundesvorstand der PDS angehört, „im Kern eine stalinistische Fraktion“. Auf Dauer gehe deren Wirken innerhalb der PDS deshalb „wohl kaum gut“. Zwerenz, der 1967 wegen der SED-Stalinisten aus der DDR in den Westen geflohen war, hält eine Entscheidung für unumgänglich: „Ich habe die Stalinisten schon früher nicht gemocht, warum sollte ich sie jetzt mögen?“

Bis zum 16. Oktober wird das von Gregor Gysi so sorgsam gepflegte Bild von der linkssozialistischen Oppositionskraft PDS wohl noch halten. Spätestens danach dürfte aber das große „Kräftemessen“ (Stehr) beginnen.