Verkuppeln mit Konzept

In der neuen Zeitschrift „Das Letzte“ wollen die Herausgeber Partner für straffällig gewordene und rechtsextreme Jugendliche vermitteln  ■ Von Jeannette Goddar

Fast hätte man glauben können, die Kreativität unzähliger wohlmeinender Sozialarbeiter und Sozialpädagogen bei der Schöpfung von Projekten zur „Resozialisierung gewalttätiger und gewaltbereiter“ Jugendlicher sei erschöpft. Doch noch einmal wurde eine Marktlücke entdeckt: Seit einigen Tagen ist Das Letzte auf dem Markt – die Berliner Jugendzeitung für 50 Pfennig im Handverkauf vor Schulen, in Jugendclubs und auf der Straße.

Das Letzte will allerdings viel mehr sein als nur eine normale Monatszeitung. Dort darf gekuppelt werden. Die Herausgeber vom Club „Connections“ wollen die „absolut erste und kostenlose Partnervermittlung für Berliner unterhalb des Greisenalters“ – das ist nach ihrer Definition von 14 bis 25 Jahren – auf den Weg bringen. Noch steckt die Idee in den Kinderschuhen: In der jetzt erschienenen Ausgabe wird lediglich ein Aufruf zur „Beziehungskiste“ veröffentlicht.

Daß „lustige 16jährige mit langen blonden Zöpfen, Hobbys Reiten und Briefe schreiben“, die Freunde und Brieffreunde suchen, Leser anziehen, hatte schon vor Jahren die Bravo gemerkt. Doch neu bei Das Letzte ist die zu erwartende Klientel: „Connections“ versteht sich als Anlaufstelle und Beratung für straffällig gewordene und gewalttätige Jugendliche. Viele Jugendliche, die hier herkommen, haben diverse Gerichtsverhandlungen hinter sich. Andere sind gewissermaßen der „Connections“-Mitarbeiterin Uschi Röhr gefolgt, die vorher in einem Projekt mit Rechtsextremen in Lichtenberg gearbeitet hat.

Jetzt soll ihnen mit Aggressionsabbau per Kuscheltherapie geholfen werden: Dem Interesse am anderen Geschlecht sei in der gewaltpräventiven Jugendarbeit bisher viel zuwenig Platz eingeräumt worden, befindet das der Partnervermittlung zugrundeliegende Konzept des „Sozialpädagogischen Instituts“ (SPI). Die gleichgeschlechtlichen Gangs, die Jugendliche überwiegend bildeten, seien außerstande, „befriedigende Beziehungen zum anderen Geschlecht“ zu gewährleisten. Dabei seien „sich entwickelnde Partnerschaften in der Lage, Aggressionen und Zerstörungspotentiale zu binden“, liest man weiter in diesem Konzept.

Als Zielgruppe des Konzepts, das unter dem Motto „Action, Freundschaft, Liebe“ steht, werden jugendliche Straftäter und gewaltbereite Jugendliche wie Skinheads genannt. Um den sonst so aufwendigen und mit Imponiergehabe und vielfältigen Problemen verbundenen „Suchprozeß“ etwas zu beschleunigen, will „Connections“ den Kids helfend zur Seite stehen. Im Klartext: Mit Hilfe noch zu findender liebesbedürftiger Mädchen sollen rebellierende Jungs von der Straße geholt werden.

Daß „das funktioniert“, ist sich Mitarbeiterin Uschi Röhr sicher. „In einem Jahr rennen uns die Jugendlichen die Tür ein.“ Sie müßten doch nur kommen und sagen, sie wollten 'ne Dicke, 'ne Dünne, 'ne Große, die würde man dann aus dem Computer rausziehen. Ob es nicht auch noch andere Treffpunkte gäbe? „Viele sind doch so verklemmt.“ Als frauenfeindlich nach dem Motto „Hier hast du ein Mädel, und nun schlag dich mal nicht mehr“ (und schon gar nicht sie) will Röhr das Vorhaben nicht verstanden wissen: „Es gibt doch auch gewaltbereite Mädels.“ Und viele Mädchen seien schon interessiert.

Der überwiegende Teil der Klientel dürfte wohl männlichen Geschlechts sein und außerdem das, was man klassisch als „schwer vermittelbar“ bezeichnet. Einer saß schon in der vergangenen Woche im „Connections“-Büro und guckte ganz traurig, daß in der ersten Ausgabe von Das Letzte keine Angebote waren: Der sechzehnjährige S. ist bisher eher Meister im „Opel Kadett“-Aufbrechen und Rumheizen als in Beziehungstraining. Am vergangenen Montag hatte er seinen vorerst letzten Gerichtstermin. Daß er dem überhaupt beiwohnen konnte, war reines Glück. Vor kurzem hat er mit ein paar Kumpels „mit 140 Sachen ein Auto gegen die Mauer gesetzt“, erzählt er. Einer seiner Kumpels läge nach wie vor im Koma.

Die Idee mit der Partnervermittlung findet er prima. Im Moment zahlt er nämlich stolze 190 Mark im Monat für eine kommerzielle Vermittlungsagentur mit Rückgabegarantie. Die Angebote bekommt er zugeschickt. „Wenn sie mir nicht gefällt, schmeiß' ich sie weg, schreib' zurück und krieg' 'ne Neue.“ Die 22jährige Dessous- Verkäuferin, für die er sich kürzlich interessiert hatte, sei leider schon vergriffen gewesen.

Bis die Partnervermittlung so richtig in Gang kommt, vermittelt „Connections“ lediglich Harmloseres: Proberäume, Jobs, Plätze in betreuten Wohnprojekten. Außerdem Adressen, Termine und Veranstaltungen, Tips zum Einkaufen und Rauskommen.

Das Büro von „Connections“ ist in der Chausseestraße 8 und telefonisch erreichbar unter 283 43 26