Clinton sucht einen Heiligenschein

Aber von UNO und Beratern des haitianischen Exilpräsidenten Aristide kommt bereits Kritik an dem US-Abkommen mit Haitis Generälen / UNO-Sonderbeauftragter tritt zurück  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Noch ist die Stimmung gut, noch gibt es Applaus und Glückwünsche von allen Seiten. Während sich in Haiti die US-amerikanischen Kontingente ausbreiteten, war die Clinton-Administration gestern voll damit beschäftigt, ihr militärisch-diplomatisches Erfolgserlebnis mit der amerikanischen Öffentlichkeit und dem einst so widerspenstigen Kongreß zu teilen. Das US-Repräsentantenhaus sprach dem Präsidenten am Montag abend mit 353 zu 43 Stimmen seine Unterstützung aus, forderte aber gleichzeitig, daß die Besatzung so kurz wie möglich dauern solle.

Kleinere Differenzen wurden auch zwischen Clinton und seinem Emissär Jimmy Carter deutlich: Clinton und seine Kabinettsmitglieder halten weiterhin an der Version fest, daß erst die Meldung vom Anflug der ersten Fallschirmspringer die haitianischen Putschisten zum Einlenken bewegten. Carter jedoch schilderte gestern in mehreren Interviews, daß der Beginn der Invasion fast seinen Verhandlungsdeal zum Platzen gebracht hätte. Cédras' Stellvertreter Biamby „kam hereingestürzt und verlangte, die Gespräche sofort zu beenden und sich auf die militärische Verteidigung vorzubereiten“. Am Ende sei es dann dem von den Militärs eingesetzten Präsidenten Emile Jonassaint zu verdanken gewesen, daß doch noch eine Vereinbarung zustande kam.

In der Erleichterung gehen Mißtöne unter

Im Überschwang der Erleichterung darüber, daß US-amerikanische Soldaten als „freundliche“ Besatzer anrückten und bislang auf keinerlei Gegenwehr stießen, gingen die ersten Mißtöne in der Öffentlichkeit fast unter: In New York verkündete ein Sprecher der Vereinten Nationen den Rücktritt des UNO-Beauftragten für Haiti, Dante Caputo. Caputo hatte UN- Generalsekretär Butros Ghali schriftlich von seiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt. Der Argentinier kritisierte die „einseitige Aktion“ der US-Unterhändler in Port-au-Prince. Die UNO, so Caputo, sei von den USA völlig übergangen worden. Caputo hatte im Juli 1993 das Abkommen von „Governors' Island“ vermittelt, in dem die Generäle gegen weitgehende Zugeständnisse Aristides ihren Rücktritt bis zum 30. Oktober 1993 zusicherten. Es geschah damals nichts, wie man weiß.

Noch ein anderer fühlt sich völlig übergangen – doch Rücktritt ist für ihn ausgeschlossen: Haitis Exilpräsident Jean-Bertrand Aristide hat sich offiziell immer noch nicht zu den Ereignissen vom Wochenende geäußert. Aristide soll nach dem Rücktritt der Putschführer Raoul Cédras und Philippe Biamby nach Haiti zurückkehren. Doch aus dem Umkreis seiner Berater war zu vernehmen, der Präsident sei zutiefst frustriert und verbittert über das Abkommen, das am Sonntag zwischen Carter und Jonassaint unterzeichnet worden war. Vor allem zeige sich Aristide empört über die großzügige Fristsetzung, die es Cédras und Biamby erlaubt, bis zum 15. Oktober im Amt zu bleiben. Darüber hinaus dürfen beide auch danach noch im Land bleiben. Expräsident Jimmy Carter, nach dessen Beschreibungen es sich bei Raoul Cédras um einen ausgemachten Ehrenmann in Uniform handeln muß, erklärte am Montag in einem Fernsehinterview, daß es „eine gravierende Menschenrechtsverletzung“ sei, jemanden ins Exil zu zwingen. Es sei Sache der Generäle, zu entscheiden, ob sie nach ihrem Rücktritt Haiti verlassen oder nicht. Auf scharfe Kritik aus Pro-Aristide- Kreisen stieß auch die neue Amnestie-Regelung, die weit über die entsprechende Regelung des „Governors' Island“ hinausgeht. Demnach bleiben nicht mehr nur politische Verbrechen straffrei, sondern auch Mord, Vergewaltigung, Folter und Plünderung. Aber von solchen Problemen wollte Bill Clinton am Montag noch nichts wissen, um die „Größe dessen, was passiert ist“, nicht zu schmälern. Ob diese „Größe“ auch für die Mehrheit der Menschen in Haiti sichtbar wird, muß sich noch erweisen.