Voscherau verspricht „makellose Aufklärung“

■ Hamburgs Senatschef präsentiert neuen Innensenator und verteidigt Suspendierungen. Politischer Befreiungsschlag Nr.2 im Hamburger Polizeiskandal.

Hamburg (taz) – Vier Tage nach dem Rücktritt des bisherigen Innensenators Werner Hackmann präsentierte Bürgermeister Henning Voscherau gestern einen Nachfolger. Er setzte zugleich zu einem Revirement in der Behördenspitze an und verteidigte vehement die Suspendierung jener inzwischen 28 Polizeibeamten, die Ausländer mißhandelt haben oder rechtsextremen Gruppierungen nahezustehen sollen. Zum neuen Innensenator soll nach dem Willen Voscheraus am kommenden Mittwoch Hartmuth Wrocklage gewählt werden. Der 55jährige Jurist, derzeit als Finanzstaatsrat noch in der zweiten Reihe der Regierungsriege versteckt, gilt parteiübergreifend als versierter Verwaltungs- und Haushaltsfachmann. Innenpolitische Erfahrung kann er nicht vorweisen.

Seinen Schreibtisch in der Innenbehörde soll nach Hackmann auch dessen umstrittener Staatsrat Dirk Reimers räumen. Er wird von Voscherau in die Finanzbehörde versetzt. Voscherau erfüllt damit das Vermächtnis seines Freundes Hackmann, der seinen Rücktritt damit begründet hatte, daß ihm ein notwendiger personeller Neuanfang nicht mehr möglich sei. Reimers wird der Vorwurf gemacht, seinen früheren Senator nicht ausführlich über Übergriffe der Polizei informiert, Ermittlungen gegen verdächtige Polizisten nur halbherzig vorangetrieben zu haben. Erst nach dem Rücktritt Hackmanns und unter erheblichem Druck Voscheraus hatte Reimers die vorläufige Suspendierung von 28 Polizeibeamten angeordnet – und schoß damit, so sehen es jedenfalls Politiker aller in der Bürgerschaft vertretenen Parteien – über das Ziel hinaus. Sowohl Reimers als auch Voscherau haben inzwischen bestätigt, daß in nur vier Fällen konkrete Beschuldigungen vorliegen. Ein Sachverhalt, der dem Vorsitzenden des Hamburger Innenausschusses, Holger Christier, am Mittwoch abend zu der Frage trieb, ob es sich bei den eiligen Suspendierungen vielleicht um einen „generalpräventiven Hygienerundumschlag“ gehandelt habe. Derart angegriffen fuhr auch Voscherau gestern schwerstes Geschütz auf. Die Vorwürfe gegen die Hamburger Polizei und Hackmanns Rücktrittsbegründung – Übergriffe gegen Ausländer hätten eine nicht für möglich gehaltene Dimension angenommen – seien derart schwerwiegend, daß er von „diesen Maßnahmen nicht ein Jota abrücken“ werde. „Unser Staat“, so der Senatschef, „auf den Trümmern der Nazidiktatur aufgebaut, kann mit diesen Vorwürfen nicht leben.“ Voscherau kündigte eine „makellose Aufklärung“ der Vorgänge an. Keine leichte Hypothek für den neuen Innensenator. Uli Exner