Wenn man den Boden unter den Füßen verloren hat

■ Seit zehn Jahren gibt es das Frauenfrühstück in der Obdachlosen-Beratungsstelle der Diakonie und der Caritas / Vor allem obdachlose Frauen finden hier Hilfe

„Damals, vor sieben Jahren, verlor ich nicht nur Arbeit und Wohnung, sondern auch den Boden unter den Füßen“, erzählt Edelgard. Alkoholprobleme kamen dazu. Hilfe fand sie in der Frauenfrühstücksgruppe der Beratungsstelle für Wohnungslose in Berlin-Tiergarten. „Wir hatten ja irgendwie alle die gleichen Probleme“, sagt die heute 63jährige. „Ohne die Hilfe der Frauen würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr leben.“

In der Beratungsstelle, die vom Diakonischen Werk und der Caritas getragen wird, melden sich täglich bis zu 100 Menschen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben. „Die Zahl der wohnungslosen Frauen hat sich in den letzten Jahren verdreifacht“, erzählt Sozialarbeiterin Dorle Simon-Zeiske. Etwa 20 Prozent aller Wohnungslosen in der Stadt seien weiblich. Nach Schätzungen von Sozialarbeitern haben mindestens 40.000 Menschen keine eigene Wohnung oder sind akut vom Verlust der eigenen vier Wände bedroht. Etwa 10.000 Obdachlose leben auf der Straße.

Speziell für betroffene Frauen hat Frau Simon-Zeiske vor zehn Jahren zusammen mit Kolleginnen in der Beratungsstelle einen Treffpunkt eingerichtet. „Wir wollten ihnen die Möglichkeit anbieten, sich in offener Atmosphäre gegenseitig kennenzulernen und sich gegenseitig bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen“, erzählt sie.

Auch Brigitte kam vor zehn Jahren zum ersten Mal in die Beratungsstelle, weil sie kein Dach über dem Kopf hatte. Mit Hilfe der Sozialarbeiterinnen bekam die heute 40jährige Frau eine Wohnung. Waltraud und Moni haben sich beim Frühstück in der Beratungsstelle kennengelernt. Waltraud hatte zuerst wieder eine Wohnung. „War doch klar, daß Moni bei mir einziehen konnte“, sagt sie.

Für Männer ist die Beratungsstelle donnerstags tabu. Aus den morgendlichen Frühstücksrunden ist längst ein ganzer „Frauentag“ geworden. Vor allem Frauen, die in Billigpensionen untergekommen sind oder auf der Straße leben, können dann ihre Wäsche waschen, duschen und sich ausruhen. Diejenigen, die bereits wieder eine feste Bleibe haben, stehen denen mit Rat und Tat zur Seite, die noch auf der Suche sind. Viele kommen direkt nach ihrer Entlassung aus der Psychiatrie, dem Krankenhaus oder dem Knast zu den Sozialarbeiterinnen. Ihre Wohnung haben sie während der Therapie oder der Haft verloren.

Auch Ausländerinnen gehören zu den Stammgästen beim Frauenfrühstück. Als Touristinnen kamen sie nach Berlin und sind in der Metropole „hängengeblieben“. Ohne Wohnung, ohne Arbeit und ohne Geld, hoffen sie jetzt auf die Hilfe der Sozialarbeiterinnen in der Beratungsstelle.

Fast alle, die vor zehn Jahren dabei waren, als der Frauentreffpunkt eingerichtet wurde, haben sich stabilisiert und wohnen tatsächlich wieder in den eigenen vier Wänden. Zu verdanken haben sie dies dem unermüdlichen Engagement ihrer Sozialarbeiterinnen, die ein eigenwilliges Frauenwohnprojekt gründeten. Monika Hermann (epd)