Gezielte Schüsse auf Polizeianwalt

■ Anwalt der suspendierten Polizisten verletzt Politiker nehmen Polizeispitze in Schutz

Hamburg (taz) – In Hamburg ist gestern früh ein Rechtsanwalt angeschossen worden. Walter Wellunghausen hatte ein Mandat für die Verteidigung der Polizisten angenommen, die wegen vermuteter ausländerfeindlicher Übergriffe am Dienstag vom Dienst suspendiert worden waren. Der Täter entkam unerkannt. Ob die Schüsse, die gezielt auf den Oberschenkel des 50jährigen abgegeben wurden, mit der Übernahme des Mandats zu tun haben, stand zunächst noch nicht fest. Entsprechende Vermutungen bezeichnete Polizeisprecher Hartmut Kapp als „Spekulation“. Es sei aber offenkundig, daß die Schüsse „als Warnung“ gedacht seien. Der Rechtsanwalt gilt als brillanter Kenner des Polizeiapparats und hatte in der Vergangenheit häufig Polizisten in Strafverfahren vertreten. Ein Großteil der beschuldigten Beamten will nach Angaben der Polizeigewerkschaft in einem gerichtlichen Eilverfahren Widerspruch gegen ihre Suspendierung einlegen. Wellinghausen sollte die meisten von ihnen vertreten.

Die nach dem Rücktritt von Innensenator Werner Hackmann in die Kritik geratene Hamburger Polizeispitze erhielt gestern vorläufige Rückendeckung von höchster Stelle. Senatschef Henning Voscherau und der zurückgetretene Innensenator Werner Hackmann nahmen dabei auch den für interne Ermittlungen zuständigen Staatsrat in der Innenbehörde, Dirk Reimers, in Schutz. Voscherau sagte dem Hamburger Abendblatt, Reimers sei „nach allem, was ich gegenwärtig weiß, ein honoriger, integrer Mann“. Voscherau berichtete aber auch, daß er selbst unmittelbar nach dem Hackmann-Rücktritt bei Reimers Konsequenzen gegenüber den 27 verdächtigen Polizisten eingefordert habe. Erst nach dieser Weisung hatte der Staatsrat seine ursprünglich ablehnende Haltung aufgegeben und die Beamten suspendiert. Hackmann erklärte, die Vorwürfe gegen Reimers seien „nicht gerechtfertigt und gemein“. Zumindest in der Zielsetzung, das polizeiinterne Schweigen zu Übergriffen von Beamten zu brechen, sei er sich mit Reimers einig gewesen. Hackmann widersprach damit Informationen der taz, nach denen es zwischen ihm und Reimers Anfang dieser Woche erhebliche Meinungsunterschiede über den Umgang mit den ausländerfeindlichen Übergriffen von Polizisten gegeben habe.

In einem Interview hatte Hackmann seinen Rücktritt allerdings unter anderem damit begründet, daß ihm selbst ein personeller Neuanfang nicht mehr möglich sei: „Ich habe durch meinen Rücktritt versucht, meinem Nachfolger zu ermöglichen, bei seinem Start aufzuräumen.“ Bereits am Mittwoch abend hatte auch Reimers Vorwürfen widersprochen, ausländerfeindliche Übergriffe der Polizei vertuscht zu haben, die Zusammenarbeit mit Hackmann sei „störungsfrei“ verlaufen. Reimers bestätigte in einem Gespräch mit der taz, daß sich in den vergangenen Monaten auch im Hamburger Amt für Ausländerangelegenheiten Berichte über Schikanen gegen Flüchtlinge häuften. Der zuständige Amtsleiter habe der Behördenspitze am Montag auch vorgetragen, daß seine Mitarbeiter die Ausländergesetze eher „restriktiv“ auslegten. Ein Fall für den neuen Innensenator, den Voscherau heute vorstellen will. uex/kva