Das Schweigen der schwarzen Schafe

■ Hamburgs Innensenator Werner Hackmann ist nach dem jüngsten, durch die taz ans Licht gebrachten Skandal in der Hamburger Polizei zurückgetreten / Er scheiterte am Korpsgeist der Polizeibeamten und an ...

Die Zweifel kommen zu spät. „Ja, vielleicht“, sagt Werner Hackmann, vielleicht habe er die „falsch verstandene Kameraderie, das unselige Korpsdenken“ in der Polizei zu lange gedeckt. Vielleicht hat der Hamburger Innensenator aber auch einfach die Augen solange zugemacht, bis er nicht mehr umhin konnte hinzugucken. Was er dann in den Akten gesehen hat, ließ ihm nur einen Ausweg: den Rücktritt.

Ausländerfeindliche Übergriffe, Prügel gegen Journalisten, Mißhandlungen von Menschen anderer Hautfarbe, Prügel gegen „Linke“: Serienweise hat die Hamburger Presse in den vergangenen Jahren über Straftaten von Polizeibeamten berichtet, amnesty international hat Menschenrechtsverletzungen in Hamburger Revieren in ihren letzten Jahresbericht aufgenommen.

Nachzuweisen war in der Regel nichts – Schweigen bei den beamteten Zeugen. „Verfahren eingestellt“: der übliche Spruch der Staatsanwaltschaft. Hackmann hat sich in diesen Fällen immer wieder vor seine PolizistInnen gestellt, sie in Schutz genommen, sich als Vorgesetzter in die – falsch verstandene – Pflicht nehmen lassen. Auch er hat Korpsgeist bewiesen. Bis Montag. Da meldete ihm ein Beamter einen neuen Fall – schwere Mißhandlungen von Schwarzen auf der Revierwache 11, in Sankt Georg, direkt am Hamburger Hauptbahnhof. Werner Hackmann nahm dies zum Anlaß, darüber nachzudenken, „ob ich mir das auch noch antun muß“. Und er kam am späten Montagabend zu dem Schluß: „Nein“.

In seiner Erklärung zum Rücktritt schreibt Hackmann, „daß zwar die Hamburger Polizei nicht ausländerfeindlich ist, das Ausmaß von Übergriffen gegenüber Ausländern aber eine Dimension angenommen hat, die ich nicht für möglich gehalten habe“. Oder nicht wahrhaben wollte?

Werner Hackmann, Sozialdemokrat, seit 1988 Chef der Hamburger Innenbehörde, galt auch bei Gegnern als der womöglich politisch fähigste Innensenator, über den die Stadt je verfügt hat. Kompetent, integer, fähig, eigene Fehleinschätzungen zu revidieren, kein Dummschwätzer, kein Freund der großen Geste, ein Realpolitiker. Hackmann handelte – und verlor dabei gelegentlich sein Ziel aus den Augen.

Er setzte sich als einer der ersten Sozialdemokraten vehement für die Änderung des Asylrechts ein, verband sie aber – ebenso vehement, aber vergeblich – mit der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz. Hackmann wollte auf diesem Weg die Ausländerfeindlichkeit bekämpfen – und übersah, daß er mit seinem Vorpreschen das Gegenteil erreichte. In der Hamburger Polizei jedenfalls müssen einige Beamte ihren Chef mißverstanden haben (siehe Bericht auf dieser Seite). Er habe sich darum bemüht, gibt Hackmann am Abend seines Rücktritts zu Protokoll, in seiner Amtszeit den Rechtsextremismus zu bekämpfen. Auch innerhalb seiner eigenen Behörde, in der von 8.500 Polizisten „100 Scheiße bauen“. Der Rest guckt zu. „Diese 8.400 müssen begreifen, daß sie sich keinen guten Dienst tun, wenn sie schweigen.“ Ein Appell, den Hackmann in den vergangenen Monaten polizeiintern des öfteren verbreiten ließ. Vergeblich.

„Vielleicht“, sinniert der 47jährige, der schon nach den Bürgerschaftswahlen im letzten Herbst nur allzugern einen anderen Senatsposten übernommen hätte, „gerät ja mit meinem Rücktritt innerhalb der Hamburger Polizei etwas in Bewegung, was mir in meiner Amtszeit nicht gelungen ist.“

Die Chancen dafür stehen schlecht. Korpsgeist, Kameraderie, darauf weist Hackmann resigniert hin, sind „keine Hamburger Besonderheit, sondern ein Strukturproblem aller Polizeien“. Das Disziplinarrecht sei in diesem Apparat „eine stumpfe Waffe“.

Wie der Hamburger Senat dieses Strukturproblem lösen will, blieb gestern offen. Bürgermeister Henning Voscherau kündigte an, daß der Senat seine Möglichkeiten, „Rechtsextremismus und Rassismus mit aller Härte aufzudecken und ihn auszuräumen“, „konsequent nutzen“ werde. Die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft wird versuchen, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Dort allerdings könnte sich in der Tat zeigen, wie weit Korpsgeist und Kameraderie in Hamburg reichen. Uli Exner, Hamburg