Einen individuellen Zugang finden

■ Berufsförderung für benachteiligte Jugendliche in einem Waldorfinternat

Von der Schulbank führt der Weg direkt zum Arbeitsamt. Dies ist die düstere Perspektive vieler Absolventen von Sonderschulen. In Zeiten zunehmender Konkurrenz auf dem Lehrstellenmarkt bleiben sie oft die Verlierer. Einen Weg aus dieser Sackgasse sucht die anthroposophische Einrichtung Schloß Hamborn, Deutschlands einziges Waldorfinternat mit einer Berufsförderung.

Wie auch an anderen Waldorfschulen, verbleiben die Jugendlichen bis zur zwölften Klasse in der Einrichtung. Anders als in gewöhnlichen Sonderschulen endet die Lernzeit hier nicht nach dem zehnten Schuljahr. Den maximal 15 Schülern einer Gruppe werden neben dem Unterricht auch berufsbegleitende Maßnahmen angeboten. Damit will man den Jugendlichen eine Berufsausbildung entsprechend ihrer individuellen Veranlagung ermöglichen. „Außerdem behalten sie auf diese Art Spaß an der Schule“, betont Klaus Jacobsen, Sozialpädagoge in Schloß Hamborn.

Seit 1991 können die Jugendlichen in siebzehn Betrieben auf dem Gelände praktische Erfahrungen mit dem Berufsleben machen. Das Angebot erstreckt sich von der Bäckerei über eine Fahrradwerkstatt bis zur Schreinerei. Es gibt biologisch-dynamische Landwirtschaft und eine Schmiede. Zu zweit besuchen die Schüler Berufsförderungseinrichtungen, die in das Schulprogramm integriert sind. Die Betriebsleiter sollen guten Zugang zu den Jugendlichen haben. „Um pädagogisch auf dem Laufenden zu sein“, erzählt Jacobsen, „erwerben vier von ihnen gerade eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation.“

Trotz aller Vorsorge bleiben Konflikte nicht aus. Sie sind sogar erwünscht. Um diese aufzuarbeiten, findet jede Woche eine Berufsförderungskonferenz statt. Dort steht, nach anthroposophischem Ansatz, jeweils ein Schüler im Mittelpunkt. Die Verständigung zwischen Lehrern und Ausbildern ist dabei alles andere als konfliktfrei.

Koordination ist nicht nur zwischen den Beteiligten innerhalb der Einrichtung gefragt, sondern auch mit öffentlichen Stellen. Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt in Paderborn. Gute Kontakte zu Betrieben im Umfeld sind notwendig, denn die Schüler machen während ihrer Ausbildung auch ein Praktikum außerhalb der Schule.

„Wir schotten uns bewußt nicht ab, sondern suchen die Zusammenarbeit“, stellt Jacobsen heraus. Betreut werden die Schüler nicht nur während der Unterrichtszeiten, sondern rund um die Uhr. Sie leben im Internat, jedoch in recht familiärer Atmosphäre, da ständig ein Ansprechpartner zur Stelle ist. „In der Zeit im Internat“, sagt Jacobsen,„sollen die Schüler lernen, eine Betriebsmentalität zu entwickeln und sich auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes einzustellen.“ Und sie sollen allmählich Selbständigkeit erlangen und einen individuellen Zugang zum Beruf finden. Denn nach der Schulzeit müssen sie auf sich gestellt versuchen, das errungene Wissen anzuwenden. Hella Kloss