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: Im Dienst des Sports?

„Die Geschichte vom wissenschaftlichen Interesse an der sportlichen Leistung wurde bislang noch nicht erzählt.“ John Hoberman, Professor für skandinavische und germanische Sprachen in Texas, versucht es. Als die ersten Physiologen ihr Interesse dem Sport zuwandten, wollten sie Erkenntnisse für die Medizin zutage fördern. Mittlerweile stehen viele im Dienst des Sports. Hier an Doping zu denken, ist nicht ganz falsch, aber es beschreibt die Sportmedizin nicht ausreichend.

Hoberman geht sehr gründlich vor. Materialreich schaut er sich die Realität des Spitzensports, sein Herantasten an Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit, die technologischen Innovationen und die Dopingpraxis an, untersucht, welche Körperbilder hier wirken, welche geschichtliche Entwicklung vorausgegangen ist, welche Sonderrolle die Sportwissenschaft in „realsozialistischen“ Gesellschaften einnahm und in welchem Verhältnis die Politik zu den „Auswüchsen“ des Sports steht.

Daß Hoberman „fachfremd“ ist, bedeutet keinen Nachteil. Bemerkenswerterweise stammen die innovativsten Beiträge zur Sportsoziologie nicht von Fachvertretern, sondern von Wissenschaftlern, die sich mal mit dem Sport beschäftigen. Dieser Befund verwirrt und ist vom einen oder anderen schon als Freibrief zur Geschwätzigkeit verstanden worden – ein Grund vielleicht, warum der Literaturwissenschaftler Hoberman sich strikt an das ihm vorliegende Material hält, um nicht in diese Falle zu tappen. Detailverliebt pflegt er einen mitunter arg sorglosen Umgang mit seinen Quellen; er glaubt nahezu alles, was da auf seinem Schreibtisch liegt, und gelangt so zu Einschätzungen, die in jedem anderen als dem Dopingdiskurs weggewischt würden: „Eine Verschwörung auf breiter Ebene. Die Politik des Dopings“ lautet sein siebtes Kapitel, das denn auch Verschwörungstheorie pur bietet. Auch wenn dies ärgerlicher Humbug ist, den Wert des Hobermanschen Werkes kann es kaum schmälern, ist er doch einer der wenigen, die die Problemfelder des Dopingdiskurses erkennen und benennen. Was man jedoch vermißt, ist eine sorgfältige Gewichtung, Interpretation und sporadisch auch Überprüfung der gegebenen Informationen. Da fällt es um so unangenehmer auf, daß, zumindest in der mir vorliegenden Ausgabe, die Anmerkungen zu den letzten zwei der insgesamt acht Kapitel fehlen.

Warum sich die Wissenschaft für den Sport interessiert, diese Geschichte ist auch nach Hobermans Buch noch nicht erzählt. Aber wenigstens einen Anfang hat die Geschichte jetzt. Martin Krauß

John Hoberman: „Sterbliche Maschinen. Doping und die Unmenschlichkeit des Hochleistungssports“. Meyer & Meyer Verlag, Aachen 1994, 384 Seiten, 34 Mark