■ Chronik
: 5 Tage im August

Samstag, 22. August 1992: Rund 200 Jungmänner greifen mit Molotowcocktails und Steinen das Flüchtlingsheim in Rostock-Lichtenhagen an. Rund um die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAST) haben sich die BewohnerInnen von Lichtenhagen versammelt. Sie feuern die Randalierer an. Nur eine Handvoll Polizei ist angerückt.

Sonntag, 23. August: Diesmal sind es bereits 500, die das Flüchtlingsheim angreifen. Ihnen stehen 400 Polizisten gegenüber. 2.500 Lichtenhagener schauen zu.

Montag, 24. August: Die Flüchtlinge werden aus Lichtenhagen weggebracht. Doch 115 VietnamesInnen, die im Haus leben, bleiben in ihren Wohnungen. 1.000 Rechte aus der halben Republik sind angereist. Die Polizei zieht sich plötzlich zurück. Fast zwei Stunden können die Angreifer ungehindert wüten. Sie stecken das Haus in Brand. Die VietnamesInnen, der Rostocker Ausländerbeauftragte und ein Kamerateam sind von den Flammen eingeschlossen. Sie können sich in letzter Minute retten. In Bonn üben sich die Politiker in Betroffenheit – und fordern als Konsequenz die Änderung des Asylrechts.

Dienstag, 25. August: Lichtenhagen ist „ausländerfrei“. 600 Jungmänner liefern sich eine weitere Straßenschlacht mit 1.600 Polizisten. Zum ersten Mal sind mehr als ein paar hundert Beamte vor Ort. 58 Randalierer werden festgenommen.

Mittwoch, 26. August: Das Antirassistische Aktionsbündnis ruft zu einer Demonstration auf. Die letzte Randalenacht in Lichtenhagen.

Freitag, 28. August: Innenminister Kupfer verteidigt die Polizei. Kein Wort zu ihrem Rückzug in der Brandnacht.

Samstag, 29. August: Rund 15.000 Menschen protestieren in Rostock gegen Ausländerhaß und Gewalt.

Ein Jahr danach: Das Asylrecht ist geändert. Kein Politiker, kein Ministerialbeamter und kein Polizeiführer hat sich zu seiner Verantwortung bekannt. Nur Innenminister Kupfer ist nicht mehr im Amt. Die juristische Aufarbeitung ist abgeschlossen. 456 Verfahren wurden eingeleitet, 36 Urteile gesprochen. Höchstes Strafmaß: drei Jahre Jugendstrafe.

Zwei Jahre danach: Die Staatsanwaltschaft hat noch immer nicht entschieden, ob sie Anklage gegen den damaligen Polizeidirektor Kordus und seinen Einsatzleiter Jürgen Deckert erhebt. Das Verfahren gegen Innenminister Kupfer ist eingestellt.