Polizisten stehlen sich davon

Leiter der berüchtigten Polizeistelle Bernau flüchtet zurück nach Bonn / Berliner Polizeigewerkschaft wiegelt Vorwürfe eines ehemaligen Kollegen ab  ■ Aus Berlin Annette Rogalla und Sven Christian

Statt Verantwortung für seine Beamten zu übernehmen, will der Leiter der Schutzpolizei Siegfried Scheefeld zurück in die heimischen Gefilde des Bonner Innenministeriums. Beamten seines Schutzbereichs im brandenburgischen Bernau wird vorgeworfen, wiederholt vietnamesische Zigarettenhändler brutal mißhandelt zu haben.

Ein Polizeipressesprecher aus Eberswalde sagte zwar, die Entscheidung habe nichts mit den Vorwürfen gegen die Beamten zu tun. Es seien persönliche Gründe für den Weggang verantwortlich. Der Sprecher räumte aber ein, daß es bislang nicht üblich gewesen sei, daß leitende Polizeibeamte aus Westdeutschland nach so kurzer Zeit ihren Dienst wieder beenden. Scheefeld war im März aus Bonn nach Brandenburg gekommen.

Bisher sind insgesamt acht Polizeibeamte des Schutzbereichs Bernau wegen des Vorwurfs der Mißhandlung vom Dienst suspendiert worden. Von mehr als zwei Dutzend Vietnamesen liegen Protokolle vor, in denen sie über Folterpraktiken im „Polizeigewahrsam“ berichten. Sie gleichen denen lateinamerikanischer Diktaturen. Einmal mußten sich Zigarettenhändler an die Wand stellen. Vorbeigehende Polizisten schlugen sie immer wieder. Die Männer wurden sogar gezwungen, in Damenslips über den Hof des Bernauer Reviers zu laufen.

Ein Vertreter der UNO-Menschenrechtskommission soll bei Berlins Polizisten für einen besseren Umgang mit Vietnamesen werben. Ein Vietnam-Experte der Kommission habe die Einladung zu mehreren Vorträgen angenommen, sagte der Leiter der Polizeischule, Jürgen Simon.

Der Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Burkhard von Walsleben, reagierte gestern empört auf das taz-Interview mit einem Berliner Polizisten. Dieser hatte seine Kollegen massiv beschuldigt, Festgenommene zu mißhandeln und sich mit härteren Schlagstöcken als erlaubt ausgerüstet zu haben. Von Walsleben erklärte, der Polizist sei wegen Körperverletzung und Nötigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und entlassen worden. Gegenüber der taz hatte der ehemalige Polizist auf Nachfrage mehrmals versichert, aus gesundheitlichen Gründen Ende Juni aus dem Dienst ausgeschieden zu sein. Der Polizeipräsident versprach, die in der taz erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Wolfgang Wieland, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, forderte, Polizisten müßten sich demnächst kennzeichnen, durch eine Nummer oder aber mit ihrem Namen. Außerdem solle ein Polizeibeauftragter als Ansprechpartner für Bürger und „Polizisten mit Gewissensbissen“ zur Verfügung stehen.