Zuflucht für die Ärmsten der Armen

■ In einem Keller in Mitte wurde erneut ein Toter gefunden / Vermutlich obdachlos

Bei der stark mumifizierten Leiche, die in der vergangenen Woche in den Kellerräumen eines unbewohnten Hauses in Mitte gefunden worden ist, handelt es sich vermutlich um einen obdachlosen Mann. Entgegen ersten Meldungen gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß er versehentlich in den Keller eingeschlossen wurde und dort verhungerte. „Der Keller verfügt über einen zweiten unverschlossenen Ausgang“, versicherte ein Beamter der Vermißtenstelle der Kripo. Die Leiche sei zwar noch nicht obduziert, aber ein Fremdverschulden als Todesursache könne nahezu ausgeschlossen werden. Daß die Identität des Toten geklärt werden kann, hält der Beamte für sehr fraglich. Jährlich würden etwa 20 bis 30 Personen aus dem Obdachlosenmilieu tot aufgefunden. Die meisten dieser Menschen würden nie identifiziert werden, weil sie keine Ausweispapiere bei sich hätten und keine Verwandten oder Freunde, die eine Vermißtenanzeige aufgäben.

In denselben Kellerräumen des Hauses in der Mittelstraße war Anfang Juli schon ein Toter gefunden worden. Auch dieser Mann war vermutlich obdachlos und ist bis heute nicht identifiziert. Das zum Abriß freistehende Gebäude steht größtenteils leer. Lediglich die Humboldt-Universität unterhält noch einige Büroräume für die Aus- und Weiterbildungsstelle, die aber gerade auszieht. Das gesamte Areal ist verwahrlost, im Hof und Keller stapeln sich Müll und Unrat. Wer an so einem Ort sein Lager aufschlägt, „muß zu den Ärmsten der Armen gehören“, ist sich der Beamte der Vermißtenstelle sicher. Die Kripo geht davon aus, daß drei Obdachlose regelmäßig in dem Kellerlabyrinth schliefen. Zu ihnen gehörte auch der Anfang Juli entdeckte Mann. Der auf Stoffetzen liegende Tote war von dem Hausmeister des Gebäudes gefunden worden, dem der Verwesungsgeruch aufgefallen war.

Die zweite Leiche, die in der vergangenen Woche im hinteren Teil des Kellers entdeckt wurde, muß dort schon eine ganze Weile gelegen haben, glaubt die Kripo. Der stark mumifizierte Tote war mit einer Wolldecke notdürftig zugedeckt und hatte keinerlei Habseligkeiten bei sich. Der Beamte der Vermißtenstelle geht davon aus, daß dieser Mann nicht regelmäßig in dem Keller gelebt hat, sondern dort nur untergekrochen war, vielleicht, weil er sich nicht wohlgefühlt hatte. Gefunden wurde er aufgrund des Hinweises eines Handwerkers. Die übrigen Kellerbewohner habe man noch nicht angetroffen, erklärte der Beamte der Vermißtenstelle. Der Kripomann will versuchen, die Obdachlosen nach der Identität der beiden Toten zu befragen, hat aber keine große Hoffnung, daß die Bemühungen von Erfolg gekrönt sein werden. Plutonia Plarre