Clintons Kuba-Politik bleibt widersprüchlich

■ Der US-amerikanische Pragmatismus läßt immer noch auf sich warten

Als hätte Clinton nicht schon genug Streß mit seiner Innenpolitik und mit Haiti. Nun eskaliert auch noch der alte Konflikt mit Castro! In der Kakophonie des politischen Alltagsgeschäfts finden derzeit die aus Kuba Flüchtenden aufgeregte Aufmerksamkeit. Das Politikprinzip des „government by crisis“ funktioniert: im Weißen Haus arbeitet eine „Cuba Task Force“. In kürzester Zeit werden die Ressourcen auf eine Krise gelenkt, die durch die bisherige US- Politik mitproduziert worden ist.

Weshalb die bisherige Kuba- Politik Clintons so abwartend und widersprüchlich war, hat vielfältige Ursachen. Die primäre US-Strategie gegenüber Kuba heißt seit 1961 ununterbrochen Isolierung und Druck durch Wirtschaftsembargo, OAS-Ausschluß und „Low Intensity Warfare“ (z.B. Attentatsversuche, Sabotageaktionen, Desinformationskampagnen). Eine qualitativ neue Art der Isolation ergibt sich für Kuba zudem aus dem derzeitigen Prozeß der Wirtschaftsintegration in Amerika (etwa Nafta), von dem es auf Druck der USA ausgeschlossen bleiben soll. Neben kleinen Veränderungen wollte die Clinton-Administration anscheinend weiterhin „abwarten“, um „Kapitalismus und Materialismus wie einen Krankheitserreger hineinkriechen zu lassen“ (Newsweek).

Doch Clinton muß nun mit innenpolitischem Druck rechnen. So beginnen sich Teile der exilkubanischen Gemeinde vom Monopol der konservativen Kubaner (allesamt rachsüchtige Kalte Krieger), die immer noch auf einen Showdown und das Happy-End setzen, zu distanzieren. Liberale und moderate Gruppen werden gegründet beziehungsweise erhalten Aufwind (z.B. der Cuban-American Committee Research and Education Fund, CACREF). Diese „Normalisierungsströmung“ wird verstärkt durch die Tatsache, daß die zweite Generation der Exilkubaner meist keinen blinden Haß gegenüber Castro und der Revolution hegt. Diese Leute sitzen teilweise an einflußreicher Stelle in Politik, Medien oder Universitäten.

Ein langsamer, aber steter Stimmungswechsel in der Kuba-Politik läßt sich schließlich auch in Äußerungen des politischen Establishments wahrnehmen: Das Thema Kuba wird in zahlreichen angesehenen und einflußreichen Publikationen – von Foreign Affairs bis zur New York Times – diskutiert.

Auch in der US-Öffentlichkeit wird die kleine rote Insel nicht mehr als „Bedrohung“ wahrgenommen, von einer Minderheit im Kongreß wird schon länger eine stufenweise Normalisierung der Beziehungen gefordert. Nicht zuletzt gibt es zahlreiche US-Unternehmer, die die potentiell sehr profitablen kubanischen Felle davonschwimmen sehen, weil ausländische Konzerne Handelsbeziehungen mit der Insel eingehen. Sie möchten die Aufhebung der Restriktionen, und etliche von ihnen wickeln ihre Geschäfte mit Kuba bereits über dritte Länder ab.

Noch in seinem Wahlkampf hatte sich US-Präsident Bill Clinton für die Verschärfung des Embargos gegen Kuba ausgesprochen. Zudem hatte er nicht nur von Exilkubanern Wahlkampfspenden erhalten, sondern war auch als erster demokratischer Präsidentschaftskandidat von ihnen akzeptiert worden. Nichtsdestotrotz hat es Anzeichen für einen zunehmenden Pragmatismus in seiner Administration auch Kuba gegenüber gegeben. Kleine Fortschritte wurden beispielsweise mit Telekommunikations-Abkommen und Militärgesprächen erzielt. Immerhin besitzt Clinton gute persönliche und gar verwandtschaftliche Beziehungen zu Exilkubanern, die seine Politik beeinflussen. Es gibt aber auch gute Gründe, die einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen widersprächen: Wenn US-Touristen frei nach Kuba reisen dürften, müßte die Tourismusindustrie in Florida Einbußen hinnehmen; dortige Immobilienmakler könnten mit den Niedrigpreisen in Kuba nicht konkurruieren; CIA und andere Sicherheitsbehörden der USA würden noch mehr ihrer Existenzberechtigung beraubt; kubanische Produkte würden mit Produkten aus Costa Rica, Florida u.ä. konkurrieren.

Bis vor ein paar Tagen hatten die US-Amerikaner andere Prioritäten, Kuba schien unwichtig. Doch angesichts der seit vielen Monaten steigenden Anti-Immigrantenstimmung (Wahlkampfzeit!) gerade in den Südstaaten wird von Clinton auch hier „Engagement“ gefordert. Lawton Chiles, zur Wiederwahl stehender Gouverneur in Florida, hat den Notstand ausgerufen und von Clinton Unterstützung angefordert.

Zwar sind die Reaktionen in den USA angesichts der Möglichkeit eines Zusammenbruchs und Chaos in Kuba (bei einem blutigen Ende hätten die USA mit enormen Flüchtlingsströmen zu rechnen!) weiterhin diffus und widersprüchlich, der jetzige Handlungsdruck dürfte Clinton aber dazu zwingen, künftig eine Kuba-Politik zu praktizieren, die mittels kleiner Kompromisse die kubanische Führung zu einem Entgegenkommen in essentiellen Punkten herausfordert.

Daß dieser Wandel in den bilateralen Beziehungen schnellgehen könnte, ist – trotz der jetzigen Aufregung – nicht zu erwarten. Sicherlich geht die Ära der emotionalen und ideologischen Aufladung beim Thema „Kuba“ zu Ende. Doch es geschieht zu langsam, so als hätte man Zeit für eine Politik der kleinen Schritte, Zeit für Versuch und Irrtum. Edgar Göll