■ Daten und Fakten
: Rußlanddeutsche Einwanderung

Seit über einem Jahr gehen die Asylbewerberzahlen rapide nach unten. „Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland hat einen Rekordtiefstand erreicht ...“, heißt es triumphierend in den Nachrichtensendungen. Gern unkommentiert bleibt die Statistik über die nach Deutschland emigrierenden Aussiedler. Danach hat sich der Zuwanderungsdruck der Menschen aus Osteuropa beträchtlich verstärkt.

Offiziellen Erhebungen zufolge wohnen in der ehemaligen Sowjetunion rund zwei Millionen „Rußlanddeutsche“. Die Angaben stammen aus dem Volkszählungsjahr 1989. Tatsächlich wird mit schätzungsweise mindestens drei Millionen potentiellen russisch- deutschen Auswanderern gerechnet. Denn zu der besagten Zeit – der demokratische Umbruch in Osteuropa steckte noch in den Anfängen – war es nach Herbert Wiens, dem Vorsitzenden des in Stuttgart ansässigen Kulturrats der Deutschen aus Rußland, „immer noch mit großen persönlichen und beruflichen Risiken verbunden, sich als Deutsche zu bekennen“.

Von 1950 bis heute hat die Zahl der rußlanddeutschen Aussiedler stetig zugenommen. Wies die Statistik im Jahr 1951 genau 1.721 Aussiedler aus, gab es 1960 bereits mehr als zehnmal so viele russischdeutsche Auswanderer in der Bundesrepublik: 13.580 Personen. 1970 lebten schon über 22.000 „Deutsche“ aus der Sowjetunion in Westdeutschland, und 1980 erhöhte sich ihre Anzahl um fast 300 Prozent auf 78.736 Personen. In der Mitte der achtziger Jahre schien sich die Zahl der hier lebenden Aussiedler auf knapp 100.000 Menschen fest einzupendeln. Während 1980 etwa 7.000 Aussiedler nach Westdeutschland kamen, waren es 1986 nur noch knapp 800.

1987 jedoch markierte einen Wendepunkt. Erstmals seit 1950 schnellten die Zahlen rasant in die Höhe. In diesem Jahr flohen über 14.000 „Deutsche“ aus ihrer angestammten Umgebung in Kasachstan, der Ukraine und der Wolga. 1988 waren es fast 50.000 Aussiedler. Allein im Jahr 1989 waren es zusätzliche 100.000 Aussiedler. 1990 und 1991 stieg die Zahl um weitere 50.000 auf etwa 150.000 Personen jährlich. 1992 zählten die Statistiker fast 200.000 neue Rußlanddeutsche in der Bundesrepublik. 1993 waren es wieder mehr: 207.000. Mit Inkrafttreten des „Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes“ im Januar letzten Jahres wird die Zahl der neu Dazukommenden 210.000 nicht übersteigen. Denn besagtes Gesetz legt eine Quote von Plusminus 200.000 möglichen Zuwanderungen von Aussiedlern im Jahr fest. Damit leben insgesamt etwa eine Million rußlanddeutsche Aussiedler in Deutschland, die aus Polen stammenden Deutschen nicht mitgezählt.

Das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz hat zwar eine ganze Menge extra eingeführter materieller und finanzieller Unterstützung des Staates für die Aussiedler wieder abgeschafft. Aber als Bürger dieses Landes haben sie genauso Anspruch auf die Leistungen des Sozialstaates wie jeder andere auch. Im Berichtszeitraum 1992 verzeichnete die Statistik von 195.567 eingewanderten rußlanddeutschen Aussiedlern über die Hälfte, etwa 110.000 „nichterwerbstätige“ Rußlanddeutsche. Die meisten sind laut Bundesverwaltungsamt Hausfrauen, kleine Kinder, Schüler, „sonstige Nichterwerbspersonen“, also Arbeitsunfähige und Rentner gewesen.Franco Foraci