■ Neu: Kondom-Schnell-Überstreif-Maschine „Dillinger“
: Die Eichel im Prüfbecher

Berlin (taz) – Als Journalist hätte ich es verdammt gut, jammert des öfteren meine neidische Freundin Dora. Im Gegensatz zu ihr käme ich immer umsonst ins Theater, staubte kostenlos Bücher ab, bekäme bei „Sony“ und „Quelle“ Rabatt und überhaupt permanent Werbegeschenke. Und was für welche! Neulich zum Beispiel den „Dillinger“ von der „Vemisan Franke GmbH“.

Der „Dillinger“ hat sich eines Problems angenommen, dessen wahre Größe erst in Safer-Sex- Zeiten ans Licht trat. Glaubt man den Herstellern, spielen sich in Deutschlands schwulen und heterosexuellen Schlafstuben tragische Szenen ab: Da wollen zwei (oder mehr) Menschen zusammen kommen und können es nicht, denn – oh Schreck! – das Kondom will und will nicht über den Schwanz. So sehr man auch zerrt, so sehr man auch ordnungsgemäß die Luft aus dem Reservoir drückt, über die Eichel flutscht das Gummi einfach nicht hinweg. Doch mit dem Verlegenheits-Rubbeln ist dank „Dillinger“ jetzt Schluß. O-Ton aus der Gebrauchsanleitung der patentierten Kondom-Schnell-Überstreif- Maschine: „Aus bisher mehr als 20 quälenden Sekunden machen Sie mit dem „Dillinger“ weniger als drei Sekunden, unglaublich angenehm, unmerkbar schnell.“ Nun denn, ich brauchte eine Dreiviertelstunde, bis ich das „Dillinger“- Prinzip endlich kapiert hatte. Ich saß draußen im Café „Anderes Ufer“ und hatte die Maschine im schwarzen Transportbehälter („Portable“) vor mir auf dem Tisch. Der „Portable“ sieht in etwa aus wie eine Schutzhülle für einen Federball oder wie ein überdimensionaler Bleistiftanspitzer, auf jeden Fall so albern, daß sich der schöne Junge, mit dem ich geflirtet hatte, doch nicht an meinen Tisch setzte. Was freilich auch am merkwürdigen Inhalt des „Portables“ gelegen haben könnte: dem rosa „Prüfbecher“ mit Polster für die Eichel und dem durchsichtigen „Mundstück“ mit rotem Stift.

Der „Dillinger“, dämmerte mir langsam, funktioniert so ähnlich wie ein Schnellkochtopf, nur umgekehrt: Das Kondom wird über die Maschine gespannt, die Luft mit dem Mund ab- und der Gummi angesaugt, bis ein Vakuum entsteht. Der Vorteil: Man kann nicht nur prüfen, ob der Präser ein Loch hat, sondern ihn sogar bis zu sieben Tage griffbereit im „Portable“ aufbewahren. Bei Bedarf taucht man den Schwanz in den „Prüfbecher“, drückt auf den roten Stift, und schon flutscht das Kondom über die Eichel. Soweit die Theorie.

Weil schönes Wetter war und im Café nichts zu holen, nahm ich den „Dillinger“ mit zum Cruisingpark, um ihn in der Praxis zu testen. Mit einem kleinen Blonden kam ich im Gebüsch recht schnell ins Geschäft, doch als ich plötzlich den „Dillinger“ zückte, schimpfte er mich ein perverses Schwein und floh. Auch mein Lebensabschnittsgefährte bekam große Augen, als ich ihn im Bett mit dem „Prüfbecher“ überraschte. Er schimpfte zwar nicht, bekam jedoch einen Lachanfall, was unserem Liebesspiel auch nicht gerade förderlich war. Aber irgendwie konnte ich mein bestes Stück doch noch im „Dillinger“ verstauen, und mein Freund drückte auf den roten Stift. Das einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist mein lauter Schrei – und an den Schmerz, als das Gummi mit aller Wucht auf den Schwanz schnellte, genau zwischen Eichel und Schaft. Am nächsten Tag wollte mein Hausarzt von einem „Dillinger“-Unfall nichts hören. Kopfschüttelnd ermahnte er mich, es nicht zu toll zu treiben und zur besseren Wundheilung die nächsten Tage enthaltsam zu sein. Und da sage noch mal einer, Journalisten führten ein angenehmes Leben. Das nächste Werbegeschenk kriegt Dora zum Geburtstag. Micha Schulze