Linke Socken rechts gestrickt

■ Seit 1990 strickt eine in Ostberlin lebende Sächsin mit heißer Nadel rote Socken für die PDS / Bisher 3.500 Minifußwärmer, und ein Ende des Söckchenbooms ist nicht in Sicht

In einer kleinen Wohnung im Ostberliner Bezirk Friedrichshain klappern die Nadeln seit Erscheinen des CDU-Wahlkampfplakats „Rote Socke“ ununterbrochen. Auf dem Holztischchen von Herta Plache stapeln sich die zehn Zentimeter langen roten Söckchen für die PDS-Werbung. Der Bedarf ist sprunghaft angestiegen. „Ich schaffe aber nur sechs Stück pro Tag“, erklärt die 83jährige. Etwa eineinhalb Stunden sitzt sie an einem Strumpf, den sich später PDS- Anhänger und andere Zeitgenossen nach dem Motto „Jetzt erst recht“ oder einfach als Jux ans Revers heften.

Die rüstige Rentnerin und vierfache Urgroßmutter strickt die roten Socken eigentlich schon seit Anfang 1990. Die gebürtige Leipzigerin wurde damals gefragt, ob sie bereit wäre, die Mini-Fußwärmer als Werbung für die PDS-nahe Zeitung Neues Deutschland zu fertigen. Spontan sagte sie: „Ich probier's.“ Immerhin „nadelt“ sie schon seit Kindertagen. In den vergangenen vier Jahren sind Herta Plache schon insgesamt an die 3.500 rote Socken von der Hand gegangen. Eine beachtliche Leistung, gelten doch wollige Kleidungsstücke für Füße und Hände unter Strick-Kundigen als besonders schwierig.

Eine Sächsin sieht rot

Nun sitzt die vor fünf Jahren nach Berlin gezogene Sächsin in der Regel nach dem Frühstück im Wohnzimmer neben dem Fenster und strickt Minisocken. Auf ihrem Beistelltisch stehen rote Rosen aus Kunststoff. Aber das habe nichts mit den Strümpfen zu tun. Die stünden „nur so da“. Die Farbe Rot liebe sie eben sehr. „Denken Sie nur ans Abend- oder Morgenrot“, lächelt sie. „Oder an die Liebe...“ Um gleich darauf verschmitzt hinzuzusetzen: „Wenn ich an Schwarz denke, wird mir immer traurig zumute.“

Das wunderbarste aber bei den roten Socken, an denen sich derzeit CDU-Geister aus Ost und West scheiden, ist ihre Strickart: „Am Rand wird eine links, eine rechts gestrickt – aber der ganze Socken auf rechts“, erklärt Herta Plache. Doch ideologisch hat sie mit der Rechts-Strickerei von linken Socken keine Probleme: „Das stört mich nicht.“ Ist sie doch ideologisch fest verwurzelt: Schon 1932 trat die frühere Handballerin in die KPD ein.

Konkurrenz hat die Heimproduzentin der Miniaturstrümpfe, die auch schon mal mit Babysöckchen verwechselt werden, kaum. Zwar haben sich auch andere Damen in den neuen Bundesländern dieser Kunst im Dienste der Partei verschrieben. „Aber keine strickt so konstant wie Herta“, sagt Walter Grenzebach von der Öffentlichkeitsarbeit des Neuen Deutschland.

Ein Ende des Söckchenbooms ist nicht abzusehen. Wenn sich auch nur ein Teil der 130.000 PDS- Mitglieder auf Hertas Socken machen will, bleibt viel zu tun. Herta Plache: „Ich stricke, solange Bedarf ist.“ CDU-Generalsekretär Peter Hintze hat sie über die PDS schon eine große schwarze Socke geschickt – eine Antwort ist aber noch nicht gekommen. Klemens Kindermann (dpa)