Leiharbeiter und Techniker verseucht

■ Im französischen Atomkraftwerk Dampierre-en-Burly ist radioaktives Jod ausgeflossen / Mitarbeiter wurden erst zwei Tage nach dem Unfall alarmiert / Gesundheitsministerium schickte Speziallabor vorbei

Paris (dpa) – Die Behörden hatten lediglich einen Störfall von „sehr geringem Ausmaß“ gemeldet. Was letzte Woche im Atomkraftwerk Dampierre-en-Burly tatsächlich geschah, blieb bisher das Geheimnis der Betreiber und der französischen Atomaufsicht. Erst letzten Freitag wurden Techniker und Mitarbeiter der Anlage alarmiert. Sie wurden dringend aufgefordert, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Das Gesundheitsministerium schickte zu diesem Zweck umgehend ein transportables Speziallabor in das etwa 100 Kilometer südlich von Paris gelegene Atomkraftwerk.

Die Sonntagszeitung Journal de Dimanche berichtete gestern unter Berufung auf Gewerkschaftskreise des Elektrizitätsunternehmens EdF, der Störfall habe weitaus größere Ausmaße als offiziell zugegeben. Offenbar war bei einer unzureichenden Reinigung radioaktives Jod in den Primärkreislauf des ersten Kraftwerkblocks gelangt. Während der Wartungsarbeiten habe dieses Jod dann ins Innere des Reaktorgebäudes gelangen können. Nach Mitteilung der Kraftwerksbetreiber wurden dabei etwa 50 Mitarbeiter „äußerst leicht kontaminiert“. Die radioaktive Belastung habe weniger als ein Dreißigstel der jährlich erlaubten Höchstmenge betragen, hieß es. Die Gewerkschaft CGT spricht dagegen von 141 verstrahlten Mitarbeitern, von denen 20 die für ein Jahr zulässige maximale Strahlendosis von 50.000 Millirem abbekamen.

Das Journal de Dimanche berichtet weiter, daß viele der etwa 500 AKW-Techniker und Arbeiter noch gar nicht über ihre Gefährdung unterrichtet werden konnten, da sie im Auftrag von Fremdfirmen in der Anlage tätig waren.

Über die Ursachen des Unfalls ist offiziell noch nichts veröffentlicht worden. Die Betreiber versichern lediglich, daß keine Radioaktivität nach außen gelangt sei. In Gewerkschaftskreisen hieß es jedoch, das radioaktive Jod sei durch einen Bruch der Schutzhülle der bestrahlten Uranbrennstäbe entwichen. Durch einen Irrtum oder eine Fehlbedienung sei es dann durch die Lüftungsanlage in die Luft im Reaktorinneren gelangt. Die Fehlfunktion des Systems sei begleitet gewesen durch ein Versagen der elektronischen Überwachungssysteme.

Die akute Gefährdung der Mitarbeiter war erst 48 Stunden später entdeckt worden, als bei einem Techniker eine anormal hohe Konzentration von Radioaktivität gemessen wurde. Weitere Untersuchungen ergaben dann, daß jeder zweite der Mitarbeiter belastet war. Das Gebäude, das nun gereinigt werden soll, wurde vorübergehend geschlossen.