Rüstungsfirma Dynamit Nobel vor Gericht
■ Minenhersteller will Minenräumer Rupert Neudeck den Mund verbieten
Bonn/Troisdorf (taz) – Hätten sie nur geschwiegen, wahrscheinlich hätte kein Mensch von der ganzen Sache auch nur Notiz genommen. Die Chefs der Rüstungsschmiede Dynamit Nobel in Troisdorf bei Bonn aber fühlten sich von Rupert Neudeck arg in ihrer Ehre getroffen. Sie wollen dem umtriebigen Menschenhelfer und Cap- Anamur-Gründer nun gerichtlich den Mund verbieten lassen wollen. Seit gestern weiß deshalb alle Welt, daß der Minenhersteller mit Sitz in Troisdorf bei Bonn nicht mit den grausamen Anti-Personen- Minen in Verbindung gebracht werden will, die in vielen Ländern der Dritten Welt Menschen töten und verkrüppeln.
Dem Bonner Landgericht erläuterten die Nobel-Anwälte gestern die Klage, mit der sie dem Unterstützer der „Anti-Landminen-Kampagne“ verbieten wollen, vier Behauptungen oder Werturteile zu verbreiten. So soll Rupert Neudeck – der mit Cap Anamur auch Minenräumaktionen durchführte – unter anderem nicht behaupten, Dynamit Nobel verkaufe und exportiere Anti-Personen-Minen, die in der Dritten Welt eingesetzt würden.
Ebensowenig äußern soll er, Dynamit Nobel sei eine verbrecherische Firma, „die sich bequem weiter im Faulbett der Erfindung intelligenter und immer profitträchtigerer Waffen suhlt“. Schließlich wenden sie sich gegen die Behauptung, bei einer Vorführung im Hause Dynamit Nobel sei der Selbstzerstörungsmechanismus einer Panzerabwehrmine nicht in Ordnung gewesen.
Daß ihre Mandantin tatsächlich Minen produziert, bestreiten die Nobel-Anwälte nicht. Nur legen sie großen Wert darauf, daß es sich dabei um Panzerabwehrminen handelt, die sich angeblich nach kurzer Frist selbst zerstören und „ausschließlich defensiven Charakter haben“. Die empfindlichen Rüstungsproduzenten mußten lange suchen, bis sie Beweise für Neudecks verbale Attacken fanden. Dem Gericht legten sie nicht nur den Mitschnitt eines TV-Interviews, sondern auch eine Schülerzeitung (!) mit Zitaten von Neudeck vor, der ebenfalls in Troisdorf residiert.
Neudecks Anwalt bestritt, daß sein Mandant die Äußerungen in der inkriminierten Form überhaupt gemacht habe. Die Zitate seien völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden. Zudem handle es sich um zulässige Werturteile, die im Kern auch zuträfen. In seinem Verdacht, daß Dynamit Nobel nicht nur Anti-Tank-Minen produziert, fühlte sich Neudeck bestätigt, als er in der renommierten Militärpublikation Jane's Military Vehicles and Logistics technische Einzelheiten über verschiedene Minentypen der Troisdorfer Firma fand. Die Anwälte der Rüstungsfirma freilich behaupten, von den in Jane's vorgestellten Minen existierten im Hause „lediglich Entwicklungsstudien“. Das Urteil soll am 9. September verkündet werden. Hans Monath
