Millionen in den Sand gesetzt

■ Bewohner des Hauses Fehrbelliner Straße 5 protestieren gegen Räumung

Eine sofortige Rückkehr in ihre Wohnungen forderten die vor zwei Wochen geräumten Bewohner der Fehrbelliner Straße 5 im Bezirk Prenzlauer Berg. Am vergangenen Mittwoch war zur Klärung der Situation ein Runder Tisch einberufen worden. Neben dem Baustadtrat von Prenzlauer Berg, Matthias Klipp (Bündnis 90/Die Grünen), und Ralf Hirsch als Vertreter der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen beteiligten sich daran Kerstin Riekehr als Vertreterin der für die Räumung verantwortlichen landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft „Wohnungsbau im Prenzlauer Berg“ (W.i.P) und die Besetzer.

Seit anderthalb Jahren hatten dreizehn Männer und Frauen in der Fehrbelliner Straße 5 ohne Mietvertrag in dem Haus gewohnt und sich deshalb dort geduldet gewähnt. Doch am Freitag, dem 29. Juli 1994 um 6 Uhr rückte die Polizei völlig überraschend an, um die Besetzer auf die Straße zu setzen. Mit den Beamten war auch ein Montagetrupp der britischen Sicherheitsfirma „Sitex South East“ in das Miethaus eingedrungen und hatte schwere Stahltüren eingebaut sowie Gitter an den Fenstern vor den Wohnungen angebracht, um eine Rückkehr der Besetzer zu verhindern.

„Jetzt sieht es hier aus wie in einem Knast“, meint Stefan, einer er ehemaligen Bewohner, der mit seinen Nachbarn seit zwei Wochen auf dem Gehsteig vor dem Haus campiert, um die Öffentlichkeit auf die Obdachlosigkeit aufmerksam zu machen.

Das Haus Fehrbelliner Straße 5 war 1992 in das Leerstandsbeseitigungsprogramm des Senats aufgenommen worden, um mit öffentlichen Mitteln saniert zu werden. Zwei Millionen waren zu diesem Zweck von der Senatsverwaltung für Bau und Wohnungswesen an die W.i.P. überwiesen worden. In den vergangenen zwei Jahren waren die regulären Mieter mit Umsetzwohnungen abgefunden worden. Zurück blieben vorerst nur die dreizehn Bewohner ohne Mietvertrag.

Diese hatten sich aber grundsätzlich bereit erklärt, bei Beginn der Sanierungsmaßnahmen auszuziehen. Nach Aussagen der Betroffenen habe man von der W.i.P. jedoch immer wieder unterschiedliche Angaben über den Baubeginn erhalten. Passiert war nichts. Jetzt vermuten die BesetzerInnen, daß es der Wohnungsbaugesellschaft ausschließlich darum gehe, das Mietshaus besenrein und mieterfrei an den Alteigentümer zurückzugeben. Ein Verdacht, den auch der Bezirksbaustadtrat Klipp teilt.

Dieser Verdacht erhärtete sich beim Runden Tisch am Mittwoch. Kerstin Riekehr, Sachbearbeiterin der W.i.P., bestätigte, daß die Wohnungsbaugesellschaft nicht die Absicht habe, mit der Sanierung zu beginnen. Begründung: ungeklärte Eigentumsverhältnisse.

Der durch die Besetzer alarmierte Vertreter der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen, Ralf Hirsch, erklärte, er habe die W.i.P. nun „in aller Schärfe“ aufgefordert, endlich mit der Sanierung zu beginnen.

Nach Auskunft von Bezirksbaustadtrat Matthias Klipp gibt es im Prenzlauer Berg noch mindestens neun weitere der W.i.P. unterstellte Häuser, die 1992 in das Leerstandbeseitigungsprogramm aufgenommen worden waren. Auch hier sei das Geld für Sanierungsbaumaßnahmen überwiesen worden, aber die Häuser stünden nach wie vor leer, ohne daß mit den Sanierungsbaumaßnahmen begonnen wurde. Der Gesamtumfang der an die W.i.P. gezahlten Sanierungsmittel gehe in die Millionen.

Werden Senatsgelder zweckentfremdet? Laut Ralf Hirsch von der Senatsverwaltung für Bau und Wohnungswesen liegt zumindest eine Vertragsverletzung seitens der W.i.P vor. Das Leerstandsbeseitigungsprogramm werde durch das Verhalten der Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg geschädigt. „Es kann nicht angehen, daß durch ein Leerstandsbeseitigungsprogramm Leerstand produziert wird!“ Patricia Pantel/Peter Lerch