■ Arbeitslosigkeit wieder gestiegen
: Warten auf Godot

Politiker leben mitunter davon, daß sie nicht halten müssen, was sie versprechen. Noch schlimmer: Sie kommen damit oft genug durch. Abgerechnet wird meist später, wenn die Hoffnungen vieler Menschen, das uneingelöste Versprechen werde schon noch wahr, bereits wieder größer sind als ihr Realismus.

Wirtschaftssenator Meisner hingegen hatte das Pech, mit den gestrigen Arbeitslosenzahlen stehenden Fußes eine Rechnung präsentiert zu bekommen. Diese haut ihn zwar mitnichten von seinem Amtshocker, aber sie läßt aus seinem Wirtschaftsbericht 1994 vom Vortage die heiße Luft heraus. Da hatte Meisner den Aufschwung am Horizont leuchten sehen. Nationale und internationale Investoren hätten die Perspektiven Berlins als Dienstleistungsmetropole erkannt, freute er sich und verkündete, durch deren Investitionen von über 50 Milliarden Mark seien bis 1998 die Voraussetzungen für 175.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die neuen Arbeitslosenzahlen machen in ihrer traurigen Normalität jedoch mehr deutlich als alle schönen Worte Meisners: Mit dem Warten auf die Konjunktur, auf die privaten Investoren, auf die Kräfte des Marktes ist es wie mit dem Warten auf Godot – es kommt nichts, und schon gar nicht kommen ausreichend Arbeitsplätze. Meisner ist nicht gerade vorzuwerfen, daß er die Arbeitslosigkeit in Berlin nicht in den Griff bekommt; die modernen Gesellschaften haben dabei bislang alle versagt. Zu kritisieren ist der Wirtschaftssenator dafür, daß er so tut, als sei das Problem mit herkömmlichen Mitteln zu lösen. Ohne beschäftigungspolitische Innovationen wird der Wirtschaftssenator noch in zwanzig Jahren über 250.000 Arbeitslose in Berlin jammern – mindestens. Nur, daß der nicht mehr Meisner heißt. Aber das ist dann auch egal. Jens König