Der Berufsspanier Von Pablo Diaz

„Gestatten. Mein Name ist Pepe Martinez“, stellte sich Pepe der neuen Kollegin vor. Es klang so, wie er es in deutschen Filmen oft gesehen hatte. In alten Filmen, wohlgemerkt.

„Sie sind also Spanier von Beruf?“ Die Frage der Kollegin traf Pepe wie ein giftiger Pfeil. „Na ja...“, war die erste, ein wenig stotternd formulierte Antwort. „Spanier als Beruf...“ Die Stimme klang etwas belegt. „Ja. Wenn Sie wollen. Ist es eigentlich richtig.“ Pepe mußte aber ehrlicherweise zugeben, daß er bis dahin noch nicht so tief in sein innerstes Selbstverständnis vorgedrungen war. Er sagte es mit leiser Stimme und auch leicht beklommen. Bisher war Pepe von einem anderen Berufsselbstverständnis ausgegangen: Lehrer, Journalist, Geschichtenschreiber, Sprecher... Aber die eigene nationale Herkunft als Berufsbezeichnung, das war doch zu starker Tobak. Außerdem was völlig Neues, wenn auch verblüffend logisch. Die Frage der Kollegin führte das langjährig gepflegte Selbstbild völlig ad absurdum. Tatsächlich hatte er diesen Job bei der Zeitung ja eigentlich doch nur bekommen, weil er Spanier war, dachte sich Pepe. Die sonst für seine Tätigkeit geltenden Kriterien wie Flexibilität, einigermaßen objektives und zuverlässiges Arbeiten, Recherchesicherheit... hatten nicht für ihn gegolten. Nur Spanier hatte der neue Mitarbeiter sein müssen. Seine gepflegte Erscheinung, eine durch und durch kultivierte Ausdrucksform ohne jeglichen spanischen Akzent... All das war überhaupt nicht wichtig. Sein Paß. Das war der entscheidende Punkt gewesen. „Können Sie denn überhaupt davon leben?“ bohrte die verbissene Kollegin nach. Irgendwie hatte sie doch mitbekommen, einen wunden Punkt getroffen zu haben. Ohne Rücksicht auf jede Sensibilität bestand sie auf einer Antwort. „Also, wissen Sie“, entgegnete Pepe etwas unbeholfen, „so richtig leben kann ich davon nicht. Aber ich habe da so meine Tricks.“ Das Gesicht von Pepes weiblichem Gegenüber wurde gelöster.

„Ja. Sie können sich vorstellen, daß man in Deutschland als Spanier entweder nur als Torero oder als Paella-Koch was werden kann. Stiere gibt es hier keine. Und Paella macht schon Dr. Oetker. Also wechsle ich meine Identitäten“, sagte Pepe so geradeheraus. Die Augen der Kollegin wurden größer. Man merkte ihr an, daß sie versuchte, hinter Pepes Geheimnis zu kommen. Von Identitätsschwierigkeiten bei Ausländerkindern hatte sie schon mal gehört. Aber Pepe war kein Kind mehr, und außerdem war er ja Spanier.

„Ja. Ich bin halt nicht nur Spanier von Beruf. Als Pepino Martiniz“, Pepe versuchte dabei besonders den neapolitanischen Akzent seines Nachbarn Rosario nachzuahmen, zwinkerte mit dem Auge und zog gleichzeitig seine rechte Gesichtshälfte etwas nach oben, als Pepino Martiniz „übernehme ich auch gerne die Rolle des Berufsitalieners. Als Püpü Martünüz die des Türken. Dabei kommt mir mein Schnurrbart sehr zur Hilfe. Und ich habe immer mein Auskommen, verstehen Sie?“ fragte Pepe rhetorisch.

„Immer diese Spanier!“ dachte die Kollegin insgeheim. Sie sagte aber nichts zu Pepe, nickte nur höflich und lächelte. „Kommen Sie da nicht manchmal in Konflikte?“ fragte sie einfühlsam zurück. „Waz, waz hübün Sü gesagt?“