Nur saubere Schulden gemacht

Die Treuhandanstalt hat gestern eine Gesamtbilanz ihrer Privatisierungstätigkeit vorgestellt  ■ Aus Berlin Donata Riedel

Leider schreibt das Aktienrecht gewisse Begriffe fest. Eine Summe, die am Ende in der Kasse fehlt, muß in aller Deutlichkeit „Fehlbetrag“ heißen. Bei der Treuhandanstalt (THA) wird hinter diesem häßlichen Wort am Ende die Summe von 270 Milliarden Mark stehen – auch wenn ihr Finanzvorstand Heinrich Hornef diesen Betrag nicht als Verlust gewertet wissen möchte. „Die 270 Milliarden zeigen doch, daß wir etwas investiert haben“, sagte er gestern auf der Bilanzpressekonferenz in Berlin. „Mit gutem Gewissen“ präsentiere die Anstalt ein „sauberes Bilanzbild“, in dem alle Zahlen „sauber aufeinander abgestimmt“ seien. Finanzminister Theo Waigel darf sich freuen, weil er fünf Milliarden Mark von der Treuhand unbenutzt zurückbekommen wird. Dieser Betrag wird nicht gebraucht, weil zum einen die 1993 gefallenen Zinsen das Schuldenmachen verbilligt haben. Als weitere Gründe für die Fünf-Milliarden-Ersparnis nannte Hornef die „zügige Privatisierung“, aber auch die verstärkten Sanierungsbemühungen seit Anfang 1993: Weil die Treuhand mehr Geld für die Sanierung ausgab, mußte sie bei der Privatisierung weniger an die Investoren zahlen.

Die sauber aufeinander abgestimmten Treuhandzahlen vermitteln vor allem einen Eindruck davon, wie sehr die Gesetze des Einigungsvertrages der DDR-Industrie den Rest gegeben haben. Schon die Währungsunion im Juli 1990 hatte die DDR-Produkte über Nacht zwei- bis dreimal so teuer und damit unverkäuflich gemacht. Dann wurden auch noch alle offenen Rechnungen aus planwirtschaftlichen Zeiten als Schulden gewertet und auf harte D-Mark umgerechnet. Sie belasten heute die THA-Bilanz und damit alle Steuerzahler mit jenen 105 Milliarden Mark, welche die Treuhand für die Entschuldung ihrer Betriebe aufwenden mußte.

Weitere Milliarden, die der Kanzler und sein Einheitsbeauftragter Günter Krause der Allgemeinheit aufbürdeten, verstecken sich in dem Posten „unternehmerisch-finanzielle Sanierung“. Diese 154 Milliarden Mark, die Hornef gestern als „Aufbauleistung Ost“ lobte, enthalten auch die Kosten für Bürgschaften. Als nach der Währungsunion die meisten Betriebe ohne D-Mark dastanden, bürgte die Treuhand fast blind gegenüber den Banken, damit die DDR-Industrie überhaupt Kredite zum Fortsetzen der Produktion aufnehmen konnte. Und „Bürgschaft“ übersetzte sich in der Anfangsphase der Privatisierungsbehörde fast immer mit „bezahlen“.

Finanzvorstand Hornef freute sich gestern vor allem darüber, daß seine Abteilung die Milliarden nun bilanzmäßig „im Griff“ habe. Schon 1991, bei Vorlage der D-Mark-Eröffnungsbilanzen, habe er das Minus zwischen Erlösen und Kosten der Privatisierungen des Jahre 1993 vorausgesehen, verkündete er stolz. 46,1 Milliarden lautet der Jahresfehlbetrag, statt 45,5 Milliarden; eine Abweichung um „nur 0,7 Milliarden“ – was immerhin 700 Millionen sind.

Das Rechnen im peanutsigen Millionen- statt Milliardenbereich wird die Treuhand-Finanzabteilung, respektive ihre Reste, in den Nachfolgegesellschaften der Treuhand nächstes Jahr üben müssen. Nur 5,5 Milliarden soll dann der reine Kreditbedarf betragen, nach 36,5 Milliarden in diesem Jahr. „Natürlich verschwindet über den Jahreswechsel nicht alles in der Weise, daß es sich in Luft auflöst“, sagte Hornef zur Kostenschrumpfkur. Der dicke Brocken, die Anstaltsschulden aus viereinhalb Jahren, wird im Erblastentilgungsfonds geparkt und belastet den Bundeshaushalt allein 1995 mit zwölf Milliarden Mark.

Gegen den Trend sinkender Kosten bei den Treuhand-Nachfolgegesellschaften werden die Aufwendungen in zwei Bereichen vermutlich steigen. Schon im Geschäftsjahr 1994 muß die Treuhand 8,8 Milliarden Mark zusätzlich für die Ansprüche der Alteigentümer bereithalten, die Hälfte davon für die enteigneten ostelbischen Junker. „Das hat das Ministerium uns aufgedrückt“, formuliert Hornef.

Einen noch größerern Kostenblock bildet die ökologische Sanierung, mit der gerade erst begonnen wird. Sie wird nach bisherigen Plänen, einschließlich der Rekultivierung der Braunkohle-Gruben und des Abriß des AKW Greifswald, 44 Milliarden Mark kosten. „Danach werden auch die Bürger im Osten schön angelegte Seen und Parks haben“, schwärmte der Finanzvorstand im blütenweißen Sommerhemd. Eine saubere Bilanz für blühende Landschaften.