Haftstrafe über dreißig Monate für IM „Franz“

■ West-Journalist wurde wegen jahrelanger Spionage für die Stasi verurteilt

Berlin (taz) – Sühnen soll er, sagte der Vorsitzende Richter Eckehard Dietrich. Und deshalb verurteilte der Zweite Strafsenat des Berliner Kammergerichts gestern vormittag den 68 Jahre alten West-Spion und IM „Franz“ Gerd Fischer zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Staatsanwalt Heinke hatte in seinem Plädoyer drei Jahre gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe.

Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Fischer, der von den Justizbehörden in Bangkok gestellt worden war und seit Februar in Untersuchungshaft sitzt, zwanzig Jahre lang für die Hauptabteilung XX/5 (Politische Untergrundtätigkeit) der Staatssicherheit gespitzelt hat. Als eine Art Undercoveragent verpetzte Fischer Interna aus der SPD, der Friedensbewegung, Anti-Atomkraft- und anderen westdeutschen Oppositionsgruppen. Auch auf Schriftsteller war Fischer angesetzt, unter anderen Sarah Kirsch und Jürgen Fuchs.

Besonders skrupellos, begründete der Richter das Strafmaß, sei Agent Fischer 1973 vorgegangen. Damals hatte er zwei Fluchthelfer verpfiffen, die am Berliner Grenzübergang Checkpoint Charlie festgenommen und anschließend im Fünf-Minuten-Verfahren zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Die Stasi, der er zur Verblüffung des Gerichts nach eigenen Angaben sogar noch bis Mitte 1990 dienlich war, versüßte ihm das Leben über die Jahre mit mindestens 70.000 Mark.

Immer wieder hatte Fischer – wenig glaubhaft – behauptet, er habe „unter Druck“ 20 Jahre lang für den Stasi-Kraken geschnüffelt und sich mehrmals im Monat in konspirativen Wohnungen in Ostberlin mit Mitarbeitern der Staatssicherheit getroffen. Sein letzter Führungsoffizier Ulf Hoffmann hatte sogar davon berichtet, ihn und seinen westdeutschen IM habe längst nicht nur die Spionage verbunden, sondern auch „eine Art väterliche Freundschaft“. Richter Dietrich glaubte den Reden des Ex-IM „Franz“ kein Wort. Vielmehr rüffelte er mit hochgezogener Augenbraue Fischers kläglichen Versuch, sich als Opfer der Stasi zu präsentieren. Es sei ja wohl so gewesen, daß ihn, Fischer, mit dem SED-System eine „gemeinsame ideologische Basis“ verbunden habe. Thorsten Schmitz