Überfall nach Haftentlassung

■ Angeklagte im Himmelfahrtsprozeß erneut in Gewalttat verwickelt und festgenommen

Magdeburg (taz) – Bis zum Gerichtssaal kam Stefan W. gestern noch als freier Mann. Dann klickten die Handschellen um die Arme des 19jährigen. Stefan W. ist einer von drei Angeklagten im ersten Prozeß um die ausländerfeindlichen Krawalle am Himmelfahrtstag. Und gemeinsam mit dem ebenfalls angeklagten 20jährigen Marco D. soll er in der Nacht zum vergangenen Sonntag erneut zugeschlagen haben: Beide werden verdächtigt, auf einem Zeltplatz nahe Magdeburg einen Mann überfallen, brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt zu haben. Ihr Opfer liegt mit schweren Verletzungen im Krankenhaus.

Marco D. wurde bereits am Wochenende verhaftet und zum fünften Verhandlungstag aus der U-Haft vorgeführt. Die Vorsitzende Richterin am Magdeburger Amtsgericht setzte die Haftbefehle gegen die beiden mutmaßlichen Gewalttäter wieder in Kraft. Ursprünglich waren Stefan W. und Marco D. schon kurz nach der ausländerfeindlichen Menschenhatz in Magdeburg verhaftet worden. Aber am 9. Juni wurden ihre Haftbefehle bei einem Haftprüfungstermin außer Vollzug gesetzt. Nach der erneuten Gewalttat sah die Richterin bei den beiden Angeklagten nun eine „erhöhte Fluchtgefahr“.

Beide wurden gestern durch weitere Zeugenaussagen erheblich belastet. Denn ein ebenfalls wegen der Ausschreitungen am Himmelfahrtstag angeklagter Hooligan hatte zwar im Gerichtssaal die Aussage verweigert, vor der Haftrichterin seinerzeit aber freimütig geplaudert.

Diese Haftrichterin wurde gestern auf den Zeugenstuhl gerufen. Stefan K., so sagte sie, habe bei seinem Haftprüfungstermin ausgesagt, daß der Überfall am Himmelfahrtstag bereits zwei Wochen zuvor am Rande eines Fußballspieles geplant worden sei. Weiterhin hätten laut K. alle Beteiligten von diesen Plänen gewußt. Schließlich kennt man sich, nicht nur Stefan K., sondern auch die drei jetzt Angeklagten gehören der Hooligan-Szene an – auch wenn die das weiterhin hartnäckig leugnen. Nach den Aussagen der Haftrichterin hat Stefan K. nicht nur ausgesagt, daß alle drei Angeklagten beim Überfall auf die von Türken betriebene Marietta-Bar in vorderster Front dabei waren. Zumindest Marco D. und Steve A. seien auch bei einem weiteren Überfall am Abend des Himmelfahrtstages auf ein italienisches Restaurant in der Magdeburger Innenstadt beteiligt gewesen.

Trotz dieser belastenden Aussage beteuerten die drei Angeklagten auch gestern wieder ihre Unschuld. Sie seien rein zufällig in der Nähe der Marietta-Bar gewesen, als die von Jugendlichen überfallen wurde und hätten am Rande der Ausschreitungen als barmherzige Samariter schließlich noch Verletzte versorgt. Zu dem neuerlichen Überfall auf den Mann im Naherholungsgebiet Barleber See sagten Stefan W. und Marco D. erst einmal gar nichts.

Eigentlich sollte in dem Prozeß heute das Urteil verkündet werden, aber jetzt soll in Siegen die Vernehmung eines erkrankten Zeugen erfolgen. Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sollen nun am Mittwoch folgen, erst für Freitag kann mit der Urteilsverkündung gerechnet werden. Eberhard Löblich