■ Erster Lehrfriedhof für den Bestatternachwuchs eröffnet
: Eine schöne Leiche

Münnerstadt (taz) – Wer andern eine Grube gräbt, fällt manchmal selbst hinein. So geschehen in Neuenburg im vergangenen Jahr: Weil ein Totengräber die acht Tonnen Erde neben dem frisch aufgeschaufelten Grab nicht abgesichert hatte, begrub die Erde ihn. Er hatte sein Handwerk nicht gelernt. Jetzt kann er es auf dem ersten Lehrfriedhof für Bestatter in Münnerstadt (Unterfranken) nachholen.

Erde raus, Sarg rein, Erde drauf? So einfach ist es nicht, wehrte Otto Biber, Vorsitzender des Landesverbandes Bestattungsgewerbe Bayern, ab. Noch ist der Bestatter aber kein „ordentlicher“ Beruf. Am Lehrfriedhof in Münnerstadt können die jungen Totengräber auf 300 Quadratmetern und etlichen Gräbern üben, was es heißt, eine Leiche richtig unter die Erde zu bringen. Dazu gehört nicht nur der professionelle Umgang mit Bagger und Grabplattenwender, sondern auch Mitgefühl beim Planen der Beerdigung – von der Organisation des Grabschmucks über den Bibelspruch bis hin zur Umbettung. „Das ist was anderes als beim einfachen Leichenwärter“, erzählt Karl Denk, ein Münchner Bestatter. „Der schiebt die Leich' nei, geht raus und zünd' sich a Zigarettchen an.“ Denk muß es wissen, schließlich haben seine Leute damals auch Franz Josef Strauß für seinen letzten Auftritt vorbereitet.

Zwischen 18 und 24 Teilnehmer werden im September zum ersten Mal direkt am Grab zum „fachgeprüften Bestatter“ ausgebildet. Auch ohne diese Ausbildung kann man jedoch Bestatter werden. Ein einwandfreier Leumund ist Voraussetzung, 30 Mark kostet die Gewerbeanmeldung, und dann kann das Graben losgehen. Von diesen schwarzen Schafen will sich der Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes aber distanzieren. Erster Schritt dazu ist der 500.000 Mark teure Lehrfriedhof für den praktischen Teil.

In der Theorie lernen die Bestatter auch, im Gespräch mit Angehörigen den richtigen Ton zu treffen. Einer mimt den Bestatter, der andere den Trauernden. „Fingerspitzengefühl gehört dazu“, so Biber. Der eine hat's, der andere muß es lernen. Dabei hilft die Videokamera. Ein paar Tage in der Pathologie gehören ebenso dazu wie ein kaufmännischer Lehrgang und Unterricht beim Juristen. Um die Anzeigen in der Tageszeitung kümmern sich die Bestatter ebenso wie um die Musikwünsche bei der Beerdigung. Und wer zu Lebzeiten ans Ende denkt, kann sich vorab einen Sarg aussuchen. Typgerecht wird da beraten. Auch Denk hat sich seinen schon ausgesucht: Schlicht und schwer muß er sein.

Von den verschiedensten Gräbern über die vielfältigsten Kreuz- Ausgaben bis hin zur Urnenbestattung gibt es alles auf dem Münnerstädter Friedhof. Nur eins hat am Freitag gefehlt: eine schöne Leiche. Susanne Will