Spekulationen um Delors-Nachfolge

■ Kohl und Kinkel suchen weiter EU-Kommissionspräsidenten / Kommissare zum Antritt der deutschen Präsidentschaft in Bonn / Differenzen in der Umweltpolitik

Bonn (taz) – Dem Bundeskanzler scheint die Diskussion um den Nachfolger von Jacques Delors im Amt des Kommissionspräsidenten in Brüssel zunehmend an die Nerven zu gehen. Als gestern in Bonn wieder einmal der spanische Regierungschef Felipe González ins Spiel gebracht wurde, reagierte Helmut Kohl ziemlich unwirsch: Völliger Unsinn sei das, González habe schon vor langem klipp und klar erklärt, er stünde für Brüssel nicht zur Verfügung.

Die Spekulationen um den Spanier werden vermutlich weitergehen. Nicht zuletzt, weil Bundesaußenminister Klaus Kinkel bei seiner Europa-Rundreise zur Vorbereitung des EU-Sondergipfels, auf dem nach dem Scheitern in Korfu ein neuer Kommissionspräsident ausgelobt werden soll, überraschend auch einen Besuch bei González eingeschoben hat. Der in Korfu gescheiterte belgische Premier Jean-Luc Dehaene hält seine Kandidatur zwar weiter aufrecht, gilt aber ebenso wie sein niederländischer Rivale Ruud Lubbers als „verbrannt“.

Neben González sind auch der luxemburgische Regierungschef Jacques Santer, sein portugiesischer Kollege Cavaco da Silva und der frühere belgische Premier Wilfried Martens auf dem Kandidatenkarussell. Als Außenseiter laufen noch der ehemalige belgische EG-Kommissar Etienne Davignon und der Gatt-Generalsekretär Peter Sutherland mit. Im Gegensatz zu González erfüllen sie alle die Kriterien, konservativ und aus einem kleinen Land zu sein. Aber keiner hat die Ausstrahlung eines González. Obwohl er Sozialist ist, hat selbst London Zustimmung signalisiert, wenn er nur wollte.

Die 17 EU-Kommissare waren zum Antritt der halbjährigen deutschen Präsidentschaft im Europäischen Ministerrat nach Bonn gereist, um mit den Fachministern das Programm für die nächsten Monate durchzusprechen. Unterschiede in der Einschätzung der anstehenden Probleme gibt es vor allem in der Umweltpolitik. Weil Bundesumweltminister Töpfer in Brüssel als Verfechter einer kombinierten Energie/CO2-Steuer auftritt und in dieser Woche selbst der bisher so widerstrebende Bundeswirtschaftsminister Rexrodt einer Öko-Steuer das Wort redete, setzt Kommissionspräsident Delors darauf, daß die Bundesregierung in ihrer Präsidentschaft zügig an die Vorbereitung einer ökologischen Steuerreform gehen werde. Doch die Bonner Regierung hat das Wort Steuer für die nächsten Monate aus ihrem Wortschatz gestrichen. Schließlich stünden Wahlen an, räumte ein hoher Regierungsbeamter ein, da müsse jede Steuerdiskussion vermieden werden, gerade auch auf europäischer Ebene. Alois Berger