■ Das Portrait
: Gerda Gerlach

Es soll ja taz-LeserInnen geben, die ziemlich alt aussehen, wenn sie die Zeitungslektüre hinter sich haben. Und andere, die dabei sogar graue Haare kriegen. Wieviel einfacher ist es da für die Leser-Blatt-Bindung, wenn die oben genannten Phänomene nicht in die Verantwortung der BlattmacherInnen fallen. Und wieviel Vergnügen macht es, stolz zu verkünden: Auch Großmutter liest taz.

Dabei ist natürlich nicht von irgendeiner alten Dame die Rede, sondern von Gerda Gerlach, die einerseits 83 Jahre und andererseits älteste taz-Abonnentin ist. Während andere Senioren in ihrem Hamburger Vorort zum Abendblatt oder zur Bild greifen, schwärmt Gerda Gerlach: „Erst mache ich meinen Haushalt, dann geh' ich spazieren. Und nach meinem Mittagsschläfchen lese ich gründlich die taz. Das sind für mich die besonderen Stunden.“ Welche Redaktion könnte dem Charme dieser Reden widerstehen?

Die Beziehung zur taz stiftete Gerdas Tochter Gudrun. „Wenn ich bei ihr zu Besuch war, stürzte ich mich immer sofort auf die taz. Auch wenn das für meine Altersklasse recht ungewöhnlich ist.“ Woraus die Tochter die richtige Konsequenz zog und ihrer Mutter zu Weihnachten ein Abo schenkte. Das ist sechs Jahre her. Seitdem hat Gerda gegenüber Gudrun einen entscheidenden Vorteil: „Ich habe ja viel mehr Zeit zum Lesen. Seite für Seite, vorher hör' ich nicht auf.“

Geboren wurde die intensive Leserin in Leipzig, nach dem Krieg flüchtete sie nach Norddeutschland. „Bis heute lese ich über Krieg furchtbar ungern.“ Vor ihrer Ehe arbeitete sie als Stenotypistin,

älteste taz-Abonnentin Foto: privat

dann kam die Heirat, die Kinder. Inzwischen lebt sie allein und hat Zeit für ihre Hobbys. Sie reist viel und weit, dreimal war sie bereits in Südamerika. „Die meisten alten Leute interessieren sich für gar nichts mehr, aber ich will über alles orientiert sein.“ Früher, erzählt Gerda Gerlach, hätte sie ja SPD gewählt. Aber die Zeiten seien vorbei. „Jetzt bin ich für die Grünen.“ Deshalb hofft sie im Okober auf eine rot- grüne Regierung. „Wenn der Scharping jetzt auf Ökokurs umsteuert, kommt mir das verdächtig vor.“

Gar nicht verdächtig ist ihr hingegen ihr Leib-und-Magen-Blatt. Mit Kritik an der taz tut sich Gerda Gerlach erstaunlich schwer. Sie überlegt lange, und viel hat sie nicht zu sagen. „Eigentlich fällt mir nichts ein.“ Woran sich zeigt, daß Menschen im Alter nicht nur weise, sondern auch entschieden gelassener sind. Bascha Mika