Die kleinen Ölfresserchen

■ Biologische Bodenreinigungsanlage im alten Ölhafen recycelt jährlich 20.000 Tonnen ölverseuchte Erde / Natur pur: „Sowas passiert in jedem Garten, wo sie einen Liter Öl ausgießen“

Bei dieser Radiomeldung treten AutofahrerInnen auf die Bremse: Auf der A1 in Höhe Ahlhorner Heide stockender Verkehr wegen eines umgekippten Tanklastzuges. Umfahren Sie die Unfallstelle vorsichtig und werfen Sie keine brennenden Gegenstände aus dem Auto. Bei der „Umweltschutz Nord GmbH“ in Ganderkesee dagegen geht die Fahrt erst richtig los: Die Firma gehört mit 14 Niederlassungen in Deutschland auch im Norden zu den großen Bodensanierern. In ihrem Hauptsitz in Ganderkesee koordiniert sie die Evakuierung von ölverunreinigten Böden aus der Natur und deren Verfrachtung in den heimischen Hafen – im wahrsten Sinne des Wortes: Seit 1989 betreibt die Firma ihre biologische Bodenreinigungsanlage auf dem Gelände des ehemaligen Ölhafens in Bremen. „Als erste Anlage dieses Maßstabs in Deutschland“, so Pressesprecher Gustav Henke.

Auf dem Industriegelände, 80.000 Quadratmeter groß, fallen vor allem zwei Reinigungshallen in den Blick; mehrere Tennisdoppel könnten darin gleichzeitig stattfinden. Dort landen die Erd-Fuhren von verunglückten Öltransportern oder ausgelaufenen Tanks. In langen Reihen ziehen sie sich durch die Halle: Das Kraftfutter für die gefräßigen Bakterien, die aus den Labors in Ganderkesee in die biologische Reinigungsanlage geliefert werden.

„Das ist nur eine Frage der Zeit“ und ein vollkommen natürlicher Vorgang, darin sind sich Firmenbetreiber und Umweltfachleute einig: Die Bakterien leben sowieso in jedem Boden und werden überall aktiv, wo eine Verunreinigung auftritt. „Gießen Sie einen Liter Öl in Ihren Garten, dann haben Sie die Bakterien da auch“, so Pressesprecher Henke. Die Bremer Anlage garantiere lediglich den wirtschaftlichsten, d. h. den biologisch schnellstmöglichen Abbau des „schönen Schadstoffs Öl“: 20.000 Tonnen Dreck im Jahr.

Sichtbare Aktivitäten sind in der „Reinigungsanlage“ Fehlanzeige. Lediglich LKWs fahren auf dem Industriegelände vor, laden ab und verschwinden nach dem Abzeichnen der x-fach ausgefertigten Kontrollpapiere. Dann liegt wieder Ruhe über den Rottebeeten in den Hallen an denen Menschenseelen sich nur beim Umsetzen der Hügel arbeiten: bis zu dreimal während der Reinigungskur. Biologische Mühlen mahlen langsam.

Nur beim Eintritt in die Welt der Reinigungsanlage werden die Erdbrocken durcheinandergewirbelt, wenn sie auf's Förderband und dann ins Nirwana der Hallen rutschen, nachdem ein warmer Substrat-Regen sie mit den Bakterien geimpft hat. Dann hält die Rotte Ruhe, „ähnlich wie ein Komposthaufen“, erklärt der Betriebsleiter. Er ist ein Anhänger der Wertstofftheorie. Nicht, weil in seinen Hallen so reichhaltig Öl lagert, das vereinzelt sogar auf den Zementboden suppt, „den Deponie-dichten, das ist wichtig“, sondern wegen des Endproduktes: Das darf sich nach der Reinigung nämlich wieder ungeniert in der freien Natur blicken lassen. Vor allem Baufirmen kaufen es und vermuddeln es in Lärmschutzwällen oder bei Begrünungsaktionen auf Hausdächern. „Dabei können manche unserer Böden in der Qualität mit Mutterboden konkurrieren“, sagt Betriebsleiter Killer. Eine hauseigene Analyse und ein Zertifikat geben ihm recht und unabhängige Stellen bestätigen es.

„500 Milligramm Öl im Kilo Erde, mehr darf im gereinigten Boden nicht stecken“, sagt Rolf Wundes, Referent für Altlasten in der Bremer Umweltbehörde. Für einen Kinderspielplatz ist es damit zwar nicht gut genug. Aber am besten wäre ohnehin, wenn die Erde dahin zurückkäme, wo sie herstammt – aus Industriegebieten zumeist.

Diese optimale Lösung verfolgt die Umweltschutz Nord seit Anfang April direkt vor der eigenen Haustür: Gegenüber der Hüttenstraße liegt das ehemalige Tanklager der Mobil-Oil. Ehemalig, weil die Ölgesellschaft die Kosten der Sanierung deckte, indem sie es gleich der Sanierungsfirma überschrieb. Mit rund 18 Millionen Mark wurde die mehr als 20 Hektar große Fläche dabei bewertet, als die Verträge zwischen Umweltressort, Altlasteneigner Mobil und Neubesitzerin Umwelt-Nord unterzeichnet wurden. Höchste Zeit: Das Öl isr schon ins Grundwasser gesickert.Tausende, Kubikmeter Wasser werden durch die Strippanlagen laufen und biologisch wieder aufbereitet. Ein zusätzliches Erschwernis sind die Blindgänger auf dem Gelände: man weiß von 250 Bombenkratern aus dem letzten Krieg und rechnet mit 50 Bombenfunden. Ein solcher Fund, vorne am Hafenkopf, bescherte erst letzten Dienstag halb Oslebshausen die Evakuierung. Das wird es wohl noch öfter geben, rund fünf Jahre lang wird das Geländes gereinigt – aber schon im nächsten Jahr soll die erste Teilfläche als Gewerbegebiet nutzbar werden. „Hoffen wir“, sagt Kurt Killer, der Pionier. Denn eine vergleichbare Sanierungsmaßnahme gibt es in Deutschland noch nicht. Eva Rhode