Per Huckepack über radikale Gruppen

■ Veranstaltung zu Praktiken des Verfassungsschutzes am Otto-Suhr-Institut / Die Freie Universität wird nicht "flächendeckend" überwacht / Eher gibt es zwanzig als zwei Informanten

Vor zwei Monaten versuchte der Verfassungsschutz (LfVS), einen Studenten des Otto-Suhr-Instituts (OSI) als Informanten anzuwerben – vergeblich, denn der 20jährige Peter Z.* machte den Anwerbeversuch in der taz öffentlich und enttarnte so die Praktiken des LfVS-Mitarbeiters. Ein Einzelfall, oder tummeln sich an der Freien Universität (FU) Spitzel und verdeckte Ermittler?

Otto Diederichs vom „Institut für Bürgerrechte und öffentliche Sicherheit“ der FU geht nicht von einer allumfassenden Überwachung an der FU aus. Seine Einschätzung: „Von einem Netz zu reden, halte ich für übertrieben.“ Es gebe zwar hin und wieder mal Fälle von Anwerbungen, doch das sei „business as usual“. Die Hoch-Zeit der Überwachung sei in den siebzigern bis Anfang der achtziger Jahre gewesen, gegenwärtig gebe es für den Verfassungsschutz aber keine Notwendigkeit, die Universitäten „flächendeckend“ zu unterwandern.

Doch das bedeutet nicht, daß der Verfassungsschutz sich überhaupt nicht für die StudentInnen interessiert: Otto Diederichs schätzt, daß es an der FU „eher zwanzig als zwei Informanten“ gibt. Konkrete Fachbereiche kann er allerdings nicht nennen. Die Strukturen und Personen an den Universitäten werden, so der Verfassungsschutzkenner, heute im „Huckepackverfahren über radikale Gruppen“ erfaßt. Die Taktik: Einzelpersonen oder auch Gruppen werden, sofern sie studieren, natürlich auch an ihren Fachbereichen oder auf uni-internen Veranstaltungen bespitzelt. So gelangen nicht nur die Informationen über den Bespitzelten an den Verfassungsschutz, sondern die InformantInnen berichten auch über dessen Umfeld am Fachbereich.

Peter Z. geht davon aus, daß der Verfassungsschutz sich nach seiner Abfuhr neue InformantInnen suchen wird. In einem offenen Brief, der am Dienstag abend bei einer OSI-Veranstaltung zum Verfassungsschutz vorgelesen wurde, schreibt Peter Z., daß der Verfassungsschutz es nicht nur auf Antifa-Strukturen abgesehen habe, sondern allgemein ginge es darum, „Leute auszuspähen, die sich kritisch mit den Vorgängen in diesem Lande beschäftigen“. Ebenfalls zu Wort kam Klaus M.*, auf den Peter Z. angesetzt werden sollte. Klaus M. sei, so der Verfassungsschützer, ein OSI-Student im Hauptstudium, der an einer sehr dicken Broschüre über die RAF mitarbeite. Klaus M. warnte auf der gutbesuchten Veranstaltung vor „Einschüchterungstaktiken des LfVS“. Er stellte außerdem die tatsächliche Broschüre vor, die er mitgestaltet hatte: „Beiträge zur Debatte über die Neubestimmung revolutionärer Politik“, in der es auch ein Kapitel zur RAF gibt.

Auf der Veranstaltung waren sich die meisten StudentInnen einig: auch zukünftig offensiv mit den Taktiken des Verfassungsschutzes umgehen und, wie es ein Student formulierte, „nicht in Panik verfallen und die Gerüchteküche brodeln lassen“. taz

* Name von d. Red. geändert