■ Die SPD hat sich entschieden, und die Bündnisgrünen haben überrascht zugestimmt: Rot-grün wollen sie Sachsen-Anhalt regieren, auch wenn das letztlich von der PDS abhängt.
: Plötzlich Lust auf die Macht

Die SPD hat sich entschieden, und die Bündnisgrünen haben überrascht zugestimmt: Rot-grün wollen sie Sachsen-Anhalt regieren, auch wenn das letztlich von der PDS abhängt.

Plötzlich Lust auf die Macht

Hinter verschlossenen Türen wurde Magdeburgs SPD-Oberbürgermeister Willi Polte so richtig laut. Man müsse sich das Ganze gut überlegen, drängte der Warner aus dem Magdeburger Rathaus. Damit stieß er bei den Genossen im Landesvorstand der SPD von Sachsen-Anhalt am Montag abend allerdings auf taube Ohren. Die rotgrüne Minderheitsregierung war bei den Sozis längst beschlossene Sache. Und an der gemeinsamen Sitzung des Landesvorstandes und der neuen Landtagsfraktion, bei der eine künftige rotgrüne Minderheitsregierung endgültig formal beschlossen wurde, nahm Polte gestern erst gar nicht teil.

Selbst für viele Sozialdemokraten war Höppners plötzlich so offensiv zur Schau gestellte Lust auf die Macht völlig überraschend. „Es freut uns natürlich mächtig, daß Höppner und die anderen Altgenossen endlich der Linie der Jusos folgen“, sagt der Landesvorsitzende des SPD-Nachwuchses, Roman Dütsch. „Aber das hätte Höppner auch schon im Dezember haben können.“ Nach dem Rücktritt der Regierung von Ex-Ministerpräsident Werner Münch hatte sich Höppner trotz massiven Drängens von PDS, den Bündnisgrünen und auch Teilen der eigenen Partei strikt geweigert, für das Amt des Ministerpräsidenten zu kandidieren. „Mit einer solchen Minderheitsregierung bin ich stets auf die Stimmen der PDS angewiesen, das wäre politisch tödlich für mich“, hatte Höppner erklärt.

Jetzt will er erst einmal an die Macht. Aber damit läßt sich Höppner auf ein schwieriges Procedere ein, das die 99 Abgeordneten des neuen Landtages die komplette Sommerpause kosten könnte. Innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl muß sich der neue Landtag laut Landesverfassung das erste Mal zusammensetzen. Höppner kann, muß sich dann aber noch nicht zur Wahl stellen. Denn die Wahl des Ministerpräsidenten muß erst 14 Tage nach der konstituierenden Landtagssitzung stattfinden. Wenn Höppner im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit bekommt, gibt's einen zweiten Wahlgang, für den sich die Abgeordneten aber auch wieder sieben Tage Zeit lassen können. Wenn Höppner auch dann keine absolute Mehrheit bekommt, muß der Landtag sich wieder einmal vertagen und innerhalb von 14 Tagen über die vorzeitige Beendigung der Wahlperiode entscheiden, bevor sich Höppner in einem dritten Wahlgang erneut als Ministerpräsident anbieten kann. Dann reicht ihm allerdings die einfache Mehrheit – und die hätte er auch ohne, wenngleich nicht gegen die Stimmen von PDS und CDU. Höppner beteuert also, auf die PDS nicht angewiesen zu sein, ob er aber nach einer erfolgreichen ersten Runde die Wahl zum Ministerpräsidenten ablehnen würde, nur weil sie mit linkssozialistischer Unterstützung zustandegekommen ist, darf getrost bezweifelt werden. Um dann auch zu regieren, will sich Höppner Mehrheiten suchen, wo er sie findet. „Bei den Sachfragen geht es schließlich um das Land und nicht um parteipolitische Interessen“, findet der Spitzensozi. Selbst eine Tolerierung seines Minderheitskabinetts durch die CDU hält er nicht für ausgeschlossen, immerhin sieht er viele Gemeinsamkeiten, etwa in der Wirtschaftspolitik oder beim Thema Innere Sicherheit. Die CDU erklärt zwar noch immer jede Tolerierung für unmöglich – das aber mag Höppner noch nicht glauben: „Das wollen wir doch einmal sehen, ob die CDU gemeinsam mit der PDS Fundamentalopposition spielt und damit die Nationale Front der DDR wieder aufleben läßt.“ Und auch bei der PDS ist Höppner optimistisch: „In der Bildungspolitik zum Beispiel stimmt die PDS mit unseren Vorstellungen weitgehend überein.“

Die rotgrüne Minderheit, so findet Höppner, könne sogar durchaus ein Modell für Bonn sein. „Ohne Mut zum Risiko wird sich in diesem Deutschland gar nichts ändern“, findet Höppner. „Und wo soll dieser Mut herkommen, wenn nicht aus dem Osten?“ Ob er dieses Modell aber bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten kann, wagt auch Höppner nicht vorherzusagen. Eine Minderheitsregierung gegen PDS auf der einen und CDU auf der anderen Seite, das weiß auch er, erscheint wie die Quadratur des Kreises. „Aber als gelernter Mathematiker weiß ich von der Quadratur des Kreises eine ganze Menge“, spricht er sich selbst noch einmal Mut zu, bevor er sich mit seinen Beratern in Klausur zurückzieht, um die Leitlinien für die Koalitionsverhandlungen mit den Bündnisgrünen festzulegen. „Da gibt es hervorragende Näherungswerte.“ Eberhard Löblich / Magdeburg